ENSEMBLE Nr. / N° 51 - September / Septembre 2020

22 Dossier —– ENSEMBLE 2020/51 Seit 2019 stellen die Kirchgemeinden Johannes und St. Marien in Bern der Klimastreik- bewegung regelmässig Räumlichkeiten zur Verfügung. Mittlerweile geht die Zusammen- arbeit zwischen den Jugendlichen und den Kirchgemeinden über organisatorische Unterstützung weit hinaus. Von Daria Lehmann «Geit’s?», fragt Pfarrer Jürg Liechti, als die Jugend­ lichen zur Sitzung der Klimagruppe Johannes erscheinen – unbeschwert, als würde er alte Be­ kannte begrüssen. Hier sind alle per Du, von den Klimaaktivistinnen und -aktivisten über den Pfarrer der Kirchgemeinde Johannes bis hin zum Theologen Jan Tschannen von Brot für alle, der dieses Mal auch an der Sitzung der Klimagruppe teilnimmt. Unkompliziertes «Raumsharing» Als im Januar 2019 die Bitte um Räumlichkeiten von der Klimastreikbewegung an die Kirchge­ meinden Johannes und St. Marien gelangte, wur­ de den Jugendlichen ohne grosses Hin und Her Gastrecht gewährt. «Es braucht einen offenen Kirchgemeinderat, damit so etwas möglich ist», so Jürg Liechti. Die organisatorischen Aufwände vonseiten der Kirchgemeinde hielten sich aber in Grenzen: «Ich staune immer wieder, wie gut die Jugendlichen organisiert sind. Sie haben hohe An­ sprüche an sich selbst und setzten diese konse­ quent um.» Dass auch mehrtägige Veranstaltun­ gen der Klimajugend abfallfrei bleiben, kommt nicht nur dem Klima, sondern auch dem Kirch­ gemeindehaus zugute. Für Jürg Liechti war das Klima schon immer ein wichtiges Thema. «Ich fliege nicht und ich esse kein Fleisch – für mich ist das aber kein Ver­ zicht, sondern es steigert die Lebensqualität», so der Pfarrer. Auch der Klimaaktivist Lorenz Jost, der bei Jürg Liechti den KUW-Unterricht besucht hat, ist überzeugt: «Der Klimaschutz geht uns alle etwas an, und wir müssen handeln.» «Wake up», steht denn auch auf dem riesigen Transparent der Klimastreikbewegung, das an Pfingsten an der Kirche St. Marien befestigt wurde. Voneinander profitieren Die Aktion mit dem Transparent geht auf Be­ ziehungen zurück, die während der zweiten natio­ nalen Plenarversammlung der Klimastreik­ bewegung geknüpft wurden. Dank Pfarrer Jürg Liechti gestalteten einige Jugendliche auch den diesjährigen Pfingstgottesdienst mit – eine Tätig­ keit, die den Klimaaktivisten Livio Rubin früher nicht interessiert hätte: «Ich hatte ein stereotypi­ siertes Bild der Kirche. Ich nahm sie als veraltet und sehr restriktiv wahr», erzählt der 24-Jährige nach­ denklich. Erst dank der Klimabewegung und dem dadurch entstandenen Austausch mit Mitgliedern der Kirchgemeinde habe er gemerkt, dass es unter ihnen viele gäbe, die etwas verändern wollten und auch Ideen hätten. «So wie Jürg Liechti.» Auch Anna Zürcher, die an der Pfingstaktion von Pfarrer Jürg Liechti angesprochen wurde und nun ebenfalls Teil der Klimagruppe Johannes ist, erlebt die Zusammenarbeit mit der Kirche als be­ reichernd: «Wir haben bei einigen Themen die gleichen Interessen und Ziele. Wir profitieren von­ einander.» So auch heute, als die Jugendlichen einen Aufruf zur Dringlichkeit von Klimahand­ lungen für das Kampagnenmagazin von Brot für alle verfassen. Endlich aufwachen Pfarrer Jürg Liechti ist es wichtig, dass die Kirche auf die Klimajugend eingeht. «Ich hoffe, dass wir als Kirche endlich aufwachen und uns entschie­ den für eine klimagerechte Gesellschaft einset­ zen», spielt der Pfarrer auf das Transparent der Jugendlichen an. «Und den Klimaaktivistinnen und -aktivisten wünsche ich, dass sie sich weiter­ hin so lebensbejahend und engagiert fürs Klima starkmachen!» K L I M A J U G E N D U N D K I R C H E Eine bereichernde Zusammenarbeit Lorenz, Livio und Anna disku­ tieren lebhaft über den Text für das Kampagnen- magazin von Brot für alle. Lorenz, Livio et Anna ont une discussion animée au sujet du texte pour le magazine de campagne de Pain pour le prochain. © Daria Lehmann

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