ENSEMBLE Nr. / N° 51 - September / Septembre 2020

27 ENSEMBLE 2020/51 —– Fokus die Gebildeten sei ich nicht zu langweilig, für die weniger Gebildeten nicht zu anspruchsvoll. Auf die Einladung zu meiner Abschiedsfeier habe ich deshalb geschrieben: «Ich würde es wieder gleich machen». Was sind heute aus Ihrer Sicht die grössten Stärken von Refbejuso? Die grösste Stärke von Refbejuso ist, dass sie trotz der Kirchenaustritte noch immer eine Volks­ kirche ist. Und dass sie dialogfähig und zweispra­ chig ist. Das ist sehr wichtig, dazu müssen wir Sorge tragen. Als grösste Landeskirche der Schweiz hat Refbejuso nicht nur die grösste Syn­ ode, sondern vereint mit sechs Fraktionen auch eine grosse Meinungsvielfalt. Wir müssen diese Vielfalt und den Diskurs darüber, was Kirche ist, beibehalten. Was sind die aktuellen Herausforderungen für Refbejuso? Die Kirchenaustritte machen sich natürlich auch finanziell bemerkbar. Auch der Pfarrmangel ist ein Thema. Zwar investieren wir mit neuen An­ geboten wie ITAHKA viel in den Nachwuchs. Doch die von den Medien portierten Bilder von leeren Kirchen sind natürlich nicht förderlich. Zudem streben jüngere Pfarrpersonen häufig ein Teilzeit­ gends war das Verhältnis zwischen Kirche und Staat so eng wie die letzten 500 Jahre im Kanton Bern. Wir verhandelten zunächst drei Jahre mit dem Kanton und setzten das Gesetz danach inner­ halb von drei weiteren Jahren innerkirchlich um. Voraussetzung dafür war nebst der erwähnten Reorganisation die Zusammenführung der Mit­ arbeitenden im Haus der Kirche. So konnten wir das Projekt zeit- und ressourceneffizient reali­ sieren. Auch der dreijährige Findungsprozess der Vision «Von Gott bewegt. Den Menschen ver­ pflichtet.» war ein Erfolg – und gipfelte 2017 im grossen Kirchenfest «Doppelpunkt». Mittlerweile fasst die Vision zunehmend Fuss in den Kirchge­ meinden und spielt auch im Legislaturprogramm 2020–2023 eine zentrale Rolle. Wo sind Sie gescheitert? Kürzlich wurde ich gefragt, ob ich gescheitert sei mit der Mission, die Kirche näher ans Volk zu bringen, die Kirche verliere ja immer mehr Mit­ glieder. Aber gegen den Bedeutungsverlust der Kirche, gegen die Individualisierung und Ent­ solidarisierung kann ich als Einzelner nichts aus­ richten. Ich kann einzig versuchen, mit gutem Beispiel voranzugehen und als Führungsfigur und Vertreter der Kirche nahe bei der Bevölkerung zu sein. Oft sagte man mir, mich verstünden alle, für Abschied nach über 21 Jahren: Für Andreas Zeller beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Adieux après plus de 21 ans: Andreas Zeller aux portes d’une nouvelle étape de son existence. © Michael Stahl

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=