ENSEMBLE Nr. / N° 52 - Oktober / Octobre 2020

19 ENSEMBLE 2020/52 —– Dossier «Wir mussten diejenigen, die immer mehr woll­ ten, bremsen. Es soll für alle reichen. Das war nicht einfach und eine ziemliche Herausforderung für uns.» Es habe auch Leute gegeben, die laut und ausfällig wurden, fügt Thomas Nohl hinzu. «Wir haben mit ihnen das Gespräch gesucht.» Denn man wolle niemandem ein Hausverbot erteilen. Anfang März musste der Asyltreff wegen der Coronapandemie schliessen. Die Geflüchteten ver­ loren vorübergehend die Möglichkeit, sich im Kirchgemeindehaus zu treffen. Hinzu kam die Neustrukturierung des Asylwesens im Kanton Bern Anfang Juli. Abgewiesene Asylsuchende werden nun in sogenannten Rückkehrzentren unterge­ bracht, und Geflüchtete, die jahrelang in den Asyl­ treff kamen, wurden von einem Tag auf den an­ deren nach Biel, Gampelen, Aarwangen oder Konolfingen verlegt. Das Ticket nach Bern können sie sich nicht leisten. «Einige rufen manchmal an. Sie leiden sehr unter den prekären Bedingungen in den Rückkehrzentren. Doch zu vielen von ihnen haben wir den Kontakt verloren», bedauert Stucki. Dilara, die Kurdin aus der Türkei, hat ihren Kaffee mittlerweile ausgetrunken. Was wünscht sie sich für die Zukunft? «Ich möchte, dass auch mein Sohn zum Asyltreff kommt. Ich merke, es tut mir gut, wenn ich hier bin, und das möchte ich auch für meinen Sohn. Bis jetzt hat es aber noch nicht geklappt.» * Name geändert geben kostenlosen Deutschunterricht, und es ent­ stehen immer wieder wertvolle Begegnungen. Zudem werden die geflüchteten Menschen auch bei der Stellensuche unterstützt. «Es ist immer wieder ein Highlight, wenn jemand dank des Netz­ werks des Asyltreffs eine Stelle oder eine Wohnung findet. Es kommt viel Dankbarkeit zurück», sagt Thomas Nohl. Auch wer Unterstützung während des Asylver­ fahrens braucht, findet beim Asyltreff Hilfe. So hat Elisabeth Stucki schon viele Geflüchtete zu den Anhörungen bei den Behörden begleitet. «Einmal begleitete ich einen jungen Mann. Der zuständige Beamte glaubte seiner Fluchtgeschichte nicht», erinnert sich Stucki. Er sei ein aufgestellter junger Mann und guter Schüler gewesen. Doch nach der Anhörung habe er einen niedergeschlagenen Ein­ druck gemacht und immer wieder die Schule ge­ schwänzt. Als er dann eine vorläufige Aufenthalts­ bewilligung erhielt, redete sie ihm ins Gewissen. «Ich sagte ihm, er müsse sich zusammenreissen und die Lehre anfangen. Jetzt ist er im zweiten Lehrjahr und ein zuverlässiger junger Mann», er­ zählt Stucki – und fügt an: «So sind schon viele Freundschaften entstanden.» Das Gespräch suchen Manchmal komme es aber auch zu schwierigen Situationen. Ab und zu kämen Menschen in den Asyltreff, denen es nicht um Beziehungspflege gehe und die sehr fordernd auftreten, sagt Stucki. Im Asyltreff knüpfen die Asyl- suchenden neue Kontakte und tauschen sich aus. Dans ce lieu de rencontre, les demandeurs d’asile établissent de nouveaux contacts et échangent des informations. ©Kirchgemeinde Paulus Bern

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