ENSEMBLE Nr. / N° 52 - Oktober / Octobre 2020
24 Fokus —– ENSEMBLE 2020/52 WENN FREMDES VERTRAUT WIRD INTERRELIGIÖSER DIALOG Polat, Co-Präsident der GCM. Und Angela Büchel schildert, dass sie sich durch den Kontakt mit An gehörigen des Islam oftmals sehr vertraut mit dieser Religion fühle. «Es treten aber auch Unter schiede zutage, die man anerkennen muss, ohne von der eigenen Ansicht überzeugen zu wollen», sagt sie. Das setze voraus, dass man versuche, sich in die Lage der anderen Person zu versetzen und die Welt mit deren Augen zu betrachten. «So lernt man, sie zu verstehen und ihre Sichtweise zu ak zeptieren. Es braucht Achtung und Sorgfalt im Umgang miteinander, und man muss Grenzen an erkennen.» Denn Religion sei etwas Persönliches, eine Heimat. Besonders herausfordernd sind emotional auf geladene Themen, in denen sich Religion und Politik vermischen, etwa der Israel-Palästina-Kon flikt. «Solange Respekt zwischen uns herrscht, können wir konstruktive Diskussionen führen», ist Lamya Hennache überzeugt. Impulse von Andersgläubigen Die GCM informiert ihre 120 Mitglieder und wei tere 210 Interessierte zweimal jährlich in einem Rundbrief über aktuelle Themen und Aktivitäten. Nebst Publikationen zur Situation von Muslimin nen und Muslimen in der Arbeitswelt, in Bildungs einrichtungen und Spitälern sowie zu muslimi schen Bestattungen organisiert die GCM auch diverse Veranstaltungen. Dazu gehören eine 1.-Au gust-Feier im Haus der Religionen in Bern, ein Iftar-Essen (das abendliche Fastenbrechen wäh rend des Ramadan) und regelmässige interreligiö se Frauentreffen in Zürich zu aktuellen Themen. Zu den weiteren Bildungs- und Begegnungs angeboten gehören Reisen in vom Islam und vom Christentum geprägte Länder oder Aktivitäten wie Skitage oder Museumsbesuche. «Das Besondere dieser Aktivitäten liegt darin, dass man in lockerer Atmosphäre Impulse von Andersgläubigen be kommt und so viel über die eigene Religion lernen kann», sagt Lamya Hennache. In einem solchen Rahmen diskutiere man zudem nicht nur als Chris tin oder Muslim miteinander, sondern es könnten auch die anderen Rollen, die man im Alltag be setzt, zum Vorschein kommen. Auf diese Weise dienen diese Freizeitaktivitäten als Ausgleich zu Die Gemeinschaft Christen und Muslime in der Schweiz (GCM) setzt sich seit bald 30 Jahren für den Dialog zwischen Christen und Musli- men in der Gesellschaft ein. Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn unterstützen dieses Engagement. Von Zeadin Mustafi* Die GCM wurde Anfang der neunziger Jahre nach einer OeME-Herbsttagung der Reformierten Kir chen Bern-Jura-Solothurn zum Thema Islam im Kanton Bern als Verein gegründet. Ziel der GCM ist es, durch den Austausch zwischen Mitgliedern verschiedener Religionsgemeinschaften in der Schweiz die Toleranz und das gegenseitige Ver ständnis zu fördern und so nicht nur dem durch die Golfkriege und den islamistischen Terror ent standenen «Feindbild Islam» entgegenzuwirken, sondern auch muslimische Gemeinschaften in der Schweiz für das Christentum zu sensibilisieren. Die GCM wird von einem religiös und ge schlechtlich paritätisch zusammengesetzten sechsköpfigen Vorstand geleitet. Wir haben vier seiner Mitglieder zu ihrer Motivation und ihren Erfahrungen befragt: den Theologen Thomas Markus Meier, die Theologin Angela Büchel, den Architekt Nadir Polat und die Juristin Lamya Hen nache. Gemeinsam wollen sie sich für ein fried liches Zusammenleben einsetzen, ihren religiösen Horizont erweitern und voneinander lernen. Die Welt mit anderen Augen betrachten Abstrakte Bilder vom Islam und vereinfachte Vor stellungen vom monolithisch erscheinenden Christentum sind nur zwei der Antworten auf die Frage, wie die Vorstandsmitglieder vor ihrem En gagement für die GCM die ihnen jeweils fremde Religion wahrnahmen. Durch den persönlichen Kontakt mit Andersgläubigen haben sie viel dazu gelernt: «Man wird sich der gemeinsamen Wur zeln der beiden Religionen bewusst, lernt aber auch deren Unterschiede kennen», sagt Nadir * Praktikant Fachstelle Migration der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, Vorstandsmitglied bei GCM
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