ENSEMBLE Nr. / N° 52 - Oktober / Octobre 2020

6 Dossier —– ENSEMBLE 2020/52 munikativen Flaggschiff der Vision zu werden. Hinter der Visionskirche steht die Idee, einen Ort zu schaffen, an dem in einer Art Forschungslabor die Kirche der Zukunft ausprobiert werden kann. Denn natürlich können nicht alle Ideen und Ini­ tiativen umgesetzt werden. Und selbstverständ­ lich werden nicht alle beim Zielpublikum auf Resonanz stossen. Umso wichtiger ist es, mit der Visionskirche einen Ort zu schaffen, wo Neues ge­ wagt und ausprobiert werden kann. In diesem Sinne steht die Visionskirche für die Bemühungen des Synodalrats, gezielt kirchliche Innovationen zu fördern. Mut und Innovation Wir dürfen also neue Wege gehen und auch zu träumen wagen. Wir können mutig sein und müs­ sen unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Es gibt unter uns viele kreative und begeisterte Menschen, auch unter der jüngeren Generation. An der Jugendkonferenz «Zämä Zuekunft gstaute» 2019 war diese Aufbruchsstimmung greifbar. Ge­ meinsam entwickelten die Jugendlichen zahlrei­ che Ideen, das Potenzial unserer Kirche wurde sichtbar. Dabei kam aber auch die Notwendigkeit zur Sprache, sich noch stärker zu vernetzen. Zum Schluss nagelten die Jugendlichen ihre Forderun­ gen und Vorstellungen, was gemeinsam Kirche- Sein bedeutet, an eine Tür – so wie es auch Martin Luther getan hatte. Eines der konkreten Ergebnisse dieses Anlasses war die Idee von Coworking Spaces: Orte, an denen Personen aus unterschiedlichsten Fachrich­ tungen gemeinsam arbeiten können, so auch Frei­ willige und Mitarbeitende einer Kirchgemeinde. In einer ersten Runde diskutierte die Gesamtkirch­ gemeinde Bern mit einem Mitglied des Effinger Coworking Spaces dieses Anliegen. Neben geeig­ neten Räumlichkeiten, zum Beispiel in einem Kirchgemeindehaus, braucht es ein Team, das diese Coworking Spaces initiiert und aufbaut. Zusätzlich zum Coworking Space, der auch für Jungunternehmerinnen und -unternehmer sowie Startups gedacht ist, wurden auch Ideen von Cos­ tudying Spaces für Studierende und Colearning Spaces für Schülerinnen und Schüler diskutiert. Gerade Jugendliche mit Migrationshintergrund könnten von einem solchen Angebot profitieren. Weitere Ideen aus der Jugendkonferenz laufen gebündelt unter dem Motto «Jugend gestaltet Kirche». Im Hinblick auf ihre Umsetzung haben junge Erwachsene das «Netzwärch25» initiiert. Ihre Projektideen stellen sie am Kick-off-Abend vom 23. Oktober 2020 im reformierten Kirchge­ meindehaus Ittigen vor. www.netzwaerch25.ch Das «Netzwärch25» möchte Kirchgemeinden motivieren und unterstützen, einen Zukunftstag durchzuführen, an dem gemeinsam mit jungen Menschen aus der Region Projektideen entwickelt werden, damit junge Menschen sich in der Kirche engagieren können. Ein weiteres Projekt von «Netzwärch25» möch­ te jungen Erwachsenen unter 25 Jahren ermög­ lichen, Erfahrungen als Kirchgemeinderätinnen oder Kirchgemeinderäte zu sammeln und die An­ liegen der jungen Generation einzubringen. Die Idee ist, dass Kirchgemeinden einen Sitz im Kirch­ gemeinderat für junge Erwachsene reservieren, der alle zwei Jahre neu besetzt werden könnte. Ziel ist eine vollwertige Mitarbeit. Die zeitliche Befristung trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass von jungen Menschen nicht eine oder zwei Amtszeiten erwartet werden können. Michael Zbinden, einer der Mitorganisatoren der Jugendkonferenz, sagt: «Ich wünsche mir, dass ‹Die Vision leben› ernst genommen wird. Und wir in unseren Kirchen weniger verwalten und mehr handeln. Für mich bedeutet eine Vision zu haben auch Veränderung. Es erfordert Mut und Innova­ tion, die Umsetzung der Vision anzugehen und sich als Kirche vielleicht auch etwas vom Gewohn­ ten zu entfernen und Neues zu entdecken.» Neuem Raum geben Diesen Spannungsbogen zwischen Tradition und Innovation zeigt auch der fünfte Visionsleitsatz «Bewährtes pflegen – Räume öffnen» auf. In Zu­ kunft werden wir uns vermehrt die Frage stellen müssen, was wir machen, warum wir es machen und was wir nicht mehr machen wollen. In allen diesen Fragen kann uns die Vision «Von Gott be­ wegt. Den Menschen verpflichtet.» Orientierung geben. Die Tendenz ist jedoch bereits absehbar und wird sich wahrscheinlich noch verschärfen: Wir können nicht mehr alles, was wir bis jetzt an Arbeit geleistet haben, weiterführen, wenn wir auch Neuem Raum geben wollen. Vielmehr müs­ sen wir Prioritäten setzen. Und da wir uns ent­ schieden haben, neue Wege zu gehen, müssen wir schwierige Fragen beantworten: Woher neh­ men wir die Zeit, die personellen Ressourcen und finanziellen Mittel, und worauf sollen wir ver­ zichten? Dieser Prozess betrifft sowohl das Haus der Kirche als auch die Kirchgemeinden. Er wird uns Mühe und Zeit kosten, aber es lohnt sich. Ebenso lohnt es sich, nicht die Augen davor zu verschliessen, dass wir einen Mitgliederschwund haben, und uns zu fragen, wie wir den Menschen neu begegnen können; es lohnt sich, uns anzu­ strengen, um die jungen Menschen in der Kirche zu halten, ihnen Raum zu geben und weitere Jugendliche einzuladen. Wir tun gut daran, uns zu vernetzen und unsere Kräfte zu bündeln. Zentral dabei ist, dass wir uns von Gott bewegen lassen. Die Vision geht jeden einzelnen von uns etwas an.

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