ENSEMBLE Nr. / N° 53 - November / Novembre 2020

21 ENSEMBLE 2020/53 —– Fokus Z I V I L E S E E N O T R E T T U N G Aus Leidenschaft und Sorge Jedes Jahr ertrinken Tausende von Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer. Eine Gruppe engagierter Piloten wollte dem Massensterben nicht länger zusehen und gründete 2016 die Humanitäre Piloteninitia- tive (HPI). Die Reformierten Kirchen Bern- Jura-Solothurn haben sie 2020 mit einem einmaligen Betrag finanziell unterstützt. Von Stefan Bigler* Die Mitglieder der Humanitären Piloteninitiative (HPI) teilen sowohl die Leidenschaft fürs Fliegen als auch die Sorge um die Situation am Mittelmeer. Getreu dem Motto «Handeln statt Reden» wurde 2016 die Idee geboren, die eigenen fliegerischen Fähigkeiten ehrenamtlich für humanitäre Zwecke einzusetzen – unabhängig von Politik, Religion, Ethnie und Nationalität. Nach einer über sechsmonatigen Planungs- und Vorbereitungsphase startete das Flugzeug «Moonbird» von HPI Ende Juni 2016 Richtung Mit­ telmeer. Vor der nordafrikanischen Küste suchen die Piloten aus der Luft nach Flüchtlingsbooten und melden deren Zustand und Position der See­ notrettungsleitstelle MRCC Rom der italienischen Küstenwache. HPI arbeitet zudem mit zivilen Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Sea- Watch und Watch the Med zusammen und koor­ diniert die Einsätze der Rettungsschiffe. Blockierte Rettungsschiffe Mittlerweile ist die «Moonbird» seit vier Jahren im Einsatz. 2016 bestand das Team aus zehn Personen. Heute kann HPI auf die Mitarbeit von rund 30 Mit­ gliedern aus der Schweiz, Belgien, Deutschland, Frankreich und Norwegen zählen. 2018 beteiligte sich HPI an der Koordination der Rettung von rund 20 000 Menschen auf der Flucht. Zudem war sie massgeblich an der Rettung von über 1400 Men­ schen in unmittelbarer Lebensgefahr beteiligt. Auch 2019 konnte HPI auf 58 Flügen 31 Boote mit über 1500 Menschen orten, die sich in unmittel­ barer Lebensgefahr befanden, und deren Rettung veranlassen. Die Arbeit der zivilen Hilfsorganisationen wird jedoch zunehmend erschwert. Seit 2019 muss HPI ihre Suchflüge von Italien aus starten statt von Malta, was enorme Mehrkosten verursacht und die Präsenz im Einsatzgebiet massiv verkürzt. Ret­ tungsschiffe werden blockiert, Flüchtlingsboote in Seenot ihrem Schicksal überlassen. Durch die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung sind immer weniger Handelsschiffe bereit, Menschen in Seenot zu retten. Pullbacks durch die sogenann­ te libysche Küstenwache, die in Zusammenarbeit mit der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex Flüchtlingsboote abfängt und nach Libyen zurück­ schafft, sind an der Tagesordnung. Leider scheuen sich auch europäische Staaten nicht, flüchtende Menschen an der Einreise zu hindern. Die Dokumentation von Menschenrechtsver­ letzungen und von Verstössen gegen internatio­ nales Seerecht ist denn auch je länger, je mehr ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von HPI. Sie gibt Hilfsorganisationen, die sich in den europäischen Parlamenten mit Advocacy-Arbeit für eine menschlichere Migrationspolitik einsetzen, kon­ krete Beweismittel an die Hand. Umso wichtiger ist es, dass die «Moonbird» auch 2020 wieder in der Luft ist. Zwar konnte HPI wegen Corona zwi­ schen März und Juni keine Suchflüge durchführen. Dennoch konnte sie in der ersten Jahreshälfte die Rettung von rund 800 Menschen in die Wege leiten. * Verantwortlicher Fundraising HPI Humanitäre Piloteninitiative (HPI) Die HPI ist eine schweizerische Stiftung und nicht gewinnorientiert. Sie finanziert sich ausschliesslich über Spendengelder: www.hpi.swiss Seit 2016 im Ein- satz: Auf der Suche nach Flüchtlings- booten in Seenot. En service de- puis 2016: à la recherche de bateaux de réfu- giés en détresse. ©zVg

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