ENSEMBLE Nr. / N° 56 - März / Mars 2021
4 Doss i er —– ENSEMBLE 2021 /56 DIE FOLGEN EINES POLITISCHEN IRRTUMS LANGZEITNOTHILFE IN DER SCHWEIZ CONSÉQUENCES D’UNE ERREUR POLITIQUE AIDE D’URGENCE DE LONGUE DURÉE Wer in der Schweiz einen rechtskräftig negativen Asylentscheid erhält, hat seit 2008 nur noch Anrecht auf sogenannte Nothilfe. Was von den Behörden ursprünglich als Über- brückungsleistung gedacht war, führt teils jahrelang zu grossem menschlichem Leid. Von Carsten Schmidt* Mit Nothilfe zu leben, ist hart. Acht Franken pro Tag müssen reichen für alles, was man ausser einem Schlafplatz und einer Krankenversicherung zum Leben braucht. Mittlerweile gehört mehr als die Hälfte der schweizweit über 6000 Personen in der Nothilfe zu den Langzeitbeziehenden und be findet sich somit schon über ein Jahr in dieser Situation. Darunter sind auch knapp 600 Kinder, die in der Nothilfe aufwachsen müssen. Dabei war das Nothilfesystem eigentlich nie als langfristige Massnahme gedacht. Geschaffen wurde es mit der Asylrechtsverschärfung, die 2008 in Kraft getreten ist. Asylsuchende, deren Gesuch letztinstanzlich abgewiesen wird, sind seither von der Asylsozialhilfe ausgeschlossen. Damit sie nicht buchstäblich auf der Strasse verhungern, erhalten sie als verfassungsrechtliches Minimum Nothilfe bis zu ihrer raschen Ausreise. So jedenfalls hatte sich der Gesetzgeber das vorgestellt, und wohl auch das Volk, das der Verschärfung in einer Referendumsabstimmung mit grosser Mehrheit * Leiter Fachstelle Migration der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn
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