ENSEMBLE Nr. / N° 57 - April / Avril 2021

23 ENSEMBLE 2021 /57 —– Doss i er Sie war 2005 die erste Kirchgemeinde- präsidentin in Solothurn und profitierte vom neuen Rollenverständnis, das die Frauen- bewegung vor 50 Jahren postulierte. Barbara Fankhauser anerkennt die Fortschritte und benennt Ambivalenzen, welche die Gleich- stellung der Frauen noch heute behindern. Von Gerlind Martin Als die Schweizer Männer 1971 Ja sagen zum Stimm- und Wahlrecht für Frauen, ist Barbara Fankhauser 9-jährig, lebt in Deutschland und merkt nichts davon. Zwei Jahre später zieht ihre Familie in die Schweiz. Und nun wundert sich die 11-Jährige: Ihre Mutter freut sich, abstimmen und wählen zu können. «Ich bin immer von gleichen Rechten für Frauen und Männer ausgegangen», sagt sie. Die 59-Jährige ist dankbar für die da­ malige Frauenbewegung, die ein neues Rollen­ verständnis ermöglicht habe. So konnte sie Aus­ bildung und Beruf frei wählen, und nach der Heirat war es für sie und ihren Mann selbstver­ ständlich, die Hausarbeit zu teilen. Als sie nach der Geburt der ersten Tochter berufstätig blieb, seien allerdings Frauen ihre schärfsten Kritikerin­ nen gewesen. «Ich musste mich ständig recht­ fertigen.» Das sei heute anders, wobei die Be­ lastung für berufstätige Mütter nach wie vor hoch sei. Es fehle weiterhin an familienergänzenden Angeboten und an gleichwertigen Löhnen, so dass Mütter und Väter frei entscheiden könnten, wie viel Berufs-, Familien- und Carezeit sie einsetzen möchten. Hartnäckiges bürgerliches Konstrukt Nach der Geburt ihrer dritten Tochter 2005 gibt die gelernte Buchhändlerin ihre Arbeit in einem Verlag auf. Gleichzeitig verstärkt sie ihr ehren­ amtliches Engagement als Kirchgemeinderätin und übernimmt das Präsidium. Damit verbunden sind zahlreiche Aufgaben im Vorstand der Bezirkssynode – und sie wird in die Synode von Refbejuso gewählt. Dies sei nur möglich gewe­ sen, weil ihr Mann als Solothurner Staatsarchivar vollzeitlich arbeitete und gut verdiente, räumt sie ein. Dank der Pauschalen aus ihren Tätigkei­ ten habe sie immerhin «ein gutes Sackgeld» bei­ steuern können. Fankhauser schmunzelt über diese Ambivalenz einer modernen Frau, über dieses nur scheinbar überholte gutbürgerliche Konstrukt. Die kirchlichen Aufgaben bieten Barbara Fank­ hauser ein einzigartiges Tätigkeitsfeld, «eine Rie­ senchance, um mitzugestalten, Verantwortung zu tragen». Zeitweise war sie die einzige Frau im Vor­ stand der Bezirkssynode, seit einigen Jahren sind die Kirchgemeindepräsidentinnen in der Mehr­ heit. Auch dies eine nur auf den ersten Blick er­ freuliche Entwicklung. Fankhauser beobachtet, dass das Sozialprestige von Berufen oder Ehren­ ämtern eher sinke, wenn mehr Frauen darin aktiv sind. «Diese Entwertung ist verheerend.» Es sei nicht einfach, aus diesem Kreislauf der subtilen Benachteiligungen auszubrechen. Wagen, sich zu exponieren 2007 kandidiert Barbara Fankhauser als Synodal­ rätin; sie erhält vier Stimmen weniger als Gottfried Locher. Dass die Wahl eng ausgehe, sei von Anfang an klar gewesen, sagt sie, «die Niederlage war dennoch nicht einfach». Ihr Fazit dieser Erfahrung: «Wir Frauen müssen es wagen, uns zu exponieren, um Veränderungen zu bewirken.» Also wird sie 2008 Präsidentin der synodalen Geschäfts­ prüfungskommission, und seit 2010 arbeitet sie im Zentralvorstand der Evangelischen Frauen Schweiz (EFS) mit. Sie will «im Hier und Jetzt die Zukunft mitgestalten». Jährlich nimmt EFS an mehreren nationalen Vernehmlassungen teil, um Gesetzesvorlagen auf ihre Auswirkungen auf Frau­ en zu überprüfen. «Steter Tropfen höhlt den Stein», sagt Barbara Fankhauser. P O R T R Ä T «Steter Tropfen höhlt den Stein» © zVg Barbara Fankhauser

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