ENSEMBLE Nr. / N° 59 - Juni / Juin 2021

12 Doss i er —– ENSEMBLE 2021 /59 VERGESSLICH, ABER NICHT VERGESSEN WEGE ZU DEMENZSENSIBLEN KIRCHGEMEINDEN ABSENTS, MAIS PAS OUBLIÉS DES PISTES POUR SENSIBILISER LES PAROISSES À LA DÉMENCE Nicht nur irgendwo am Rand, sondern mittendrin: Menschen mit Demenz nicht auszugrenzen, sondern sie bewusst in die Kirchgemeinde miteinzubeziehen, ist eine Chance für alle. Von Antje Koehler* Alte Menschen werden nicht nur immer älter, son­ dern im Alter auch immer unterschiedlicher. Dies gilt auch für die wachsende Zahl an Gemeinde­ gliedern mit einer Demenz. Die Mehrzahl wird zu Hause betreut und gepflegt, im direkten Lebens- und Wohnumfeld ihrer Kirchgemeinde. Daneben sind oft auch Pflegeheime ihre Lebensorte, die elementar zur Gemeinde gehören und selbst Ge­ meinde sind. Doch obwohl das Thema Demenz in aller Munde ist und die Altersstruktur vieler Kirchgemeinden der Gesellschaft um bis zu 30 Jahre voraus ist, gehören Menschen mit Demenz vielerorts nicht zum alltäglichen Erscheinungsbild des kirchlichen Lebens. Oftmals ziehen sich die Betroffenen aufgrund der besonderen Belastungen, wegen zunehmen­ der Orientierungsprobleme und aus Scham über abnehmende Kräfte klammheimlich aus unseren Gemeinden zurück – oder sie werden bewusst oder unbewusst ausgegrenzt. Dies ist etwa allein schon dann der Fall, wenn barrierearme Zugänge, geöffnete Toiletten oder geeignete Übertragungs­ anlagen fehlen. Oder wenn die Gestaltung der Veranstaltungen nicht nur zu lang und zu leise, sondern auch zu sehr auf kognitive Teilhabe ausgerichtet ist. Mit einem Rückzug gehen für die Betroffenen und ihre Angehörigen soziale Netze, gemeinschaftliches Leben, vertraute Riten oder Routinen und eine religiöse Stärkung ver­ loren. Und wir als Gemeinden büssen damit Wachstumschancen, Vielfalt und Lebendigkeit ein. Diesem Trend können Kirchgemeinden dort offensiv entgegenwirken, wo sie sich als «Sor­ gende Gemeinschaften» bewusst auf den Weg zur demenzsensiblen Kirchgemeinde machen. Kleine Schritte sind dabei wichtiger als grosse Projekte, Wachstum und neue Erfahrungen wichtiger als Perfektion. Wo es gelingt, Ängste und Vorurteile, Unwissenheit und Unsicherheit abzubauen, dient dies nicht nur der Lebensqualität und Teilhabe von Menschen mit Demenz und ihren Angehöri­ gen, sondern auch der Zukunftsfähigkeit einer alternden, menschenfreundlichen Kirche. Dafür braucht es vonseiten der Gemeinden ein klares Signal, ein «Schön, dass Du da bist» oder ein «Du bist uns wichtig und gehörst dazu» – nicht nur irgendwo am Rand, sondern mittendrin. Aus die­ sem Grund geht es an den allermeisten Orten ge­ rade nicht darum, spezialisierte, «exklusive An­ gebote» für Menschen mit Demenz zu entwickeln. Vielmehr können Kirchgemeinden die bestehen­ den Angebote so öffnen, dass Gemeindeglieder mit Demenz selbstverständlich dazugehören und als lebendiger Teil unter vielen wahrgenommen werden und willkommen sind. Dies wird z. B. unterstützt, indem: Oftmals ziehen sich die Betroffenen klammheim- lich aus unseren Kirch- gemeinden zurück. * Antje Koehler ist Heilpädagogin, Religions- und Gemeinde­ pädagogin sowie Initiatorin und Projektleiterin von «dabei und mittendrin – Gaben und Aufgaben demenzsensibler Kirchengemeinden»

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