ENSEMBLE Nr. / N° 60 - Juli / Juillet 2021

5 ENSEMBLE 2021 /60 —– Doss i er scher Ort. Und schliesslich gehört zur Wahrneh­ mung des Kapitals Kirche, was die Kirchen von ihrer Architektur her zu speziellen Räumen macht: die Grösse, der Baustil, die Kostbarkeit der Ausstattung, das Licht, die Stille und die Akustik. Dies alles zu sehen und zu spüren, zu erinnern und zu erahnen, führt zu einer besonderen Be­ ziehung zu den Räumen. Einen Überblick über die Vielfalt und den Reichtum der 305 Kirchen im Gebiet der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solo­ thurn bietet die neue Website kirchenvisite.ch (vgl. Seite 10). Nutzen Nach reformiertem Verständnis sind Kirchen blos­ se Versammlungsräume für die Feier des Gottes­ dienstes, also keine geweihten heiligen Orte wie für die Katholiken. Gleichwohl sind auch refor­ mierte Kirchen besondere Orte. Ein Drittel von ihnen im Kanton Bern stammt aus der Zeit vor der Reformation. Sie wurden als heilige Orte errichtet, und dieser Geist haftet ihnen immer noch ein biss­ chen an, auch wenn es darin keine Altäre mehr gibt. Auch reformierte Kirchen sind mehr als blos­ se Raumhüllen. Mit ihrer Gestalt, Ausstattung und Atmosphäre haben sie Anteil an dem, was in ihrem Inneren stattfindet. Warum also nicht dieses Kapital bewusst nutzen? Mit dem, was die Kir­ chengebäude symbolisieren, repräsentieren und kommunizieren, lässt sich in allen kirchlichen Handlungsfeldern arbeiten, sei es im Gottesdienst, in der Predigt, im Religionsunterricht, in der Seel­ sorge oder in der Erwachsenenbildung. Den Kirchenraum bewirtschaften heisst, das Evangelium nicht ausschliesslich über die Ohren, sondern auch über die Augen zu vermitteln. Die Menschen sind empfänglich für Raumatmosphä­ ren, Stimmungen, Lichtspiele, Bilder, Schönheit. Zur Einführung in diese Formen der Nutzung be­ ziehungsweise Bewirtschaftung des Kirchenrau­ mes bieten die Reformierten Kirchen Bern-Jura- Solothurn alle zwei Jahre eine Ausbildung zur Kirchenführerin, zum Kirchenführer an. Korrekter wäre, von Kirchenraumspezialistinnen und -spe­ zialisten zu sprechen, da der Kurs für alle Formen und Chargen kirchlicher Tätigkeit Ideen vermit­ telt, wie man mit dem Kirchenraum arbeiten kann (vgl. Seite 12). Gestalten Kirchenbauten haben im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Veränderungen erfahren. Es wurde an­ gebaut, man verschob die Kanzel oder richtete die Bänke anders aus, versah den Innenraum mit Dekorationsmalereien, die zwei Generationen spä­ ter wieder übermalt wurden, oder ersetzte den alten durch einen modernen Turm. Oft sind die Veränderungen liturgisch motiviert, oft auch einem veränderten ästhetischen Empfinden ge­ schuldet. Auch heute werden viele Kirchenräume anläss­ lich von Renovationen nicht nur neu gestrichen, sondern punktuell auch neugestaltet. Vielen der aktuellen Neugestaltungen liegt das Anliegen zu­ grunde, die Kirchenräume flexibler nutzen zu können. Bänke werden durch Stühle ersetzt, oder, wo dies nicht geht, werden Bankreihen entfernt. Im vorderen Teil der Kirche und im Chor möchte man mehr Platz haben für alternative Feierformen, Die Kirche Scherzligen in Thun ist eine der ältesten Kirchen im Gebiet von Refbejuso. Erstmals urkundlich erwähnt wurde sie im Jahr 762. L’église de Scherzligen à Thoune est l’un des plus anciens édifices sur le territoire de Refbejuso. Le premier document qui en fait mention date de 762. ©Christoph Hurni

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