ENSEMBLE Nr. / N° 62 - Oktober / Octobre 2021

15 ENSEMBLE 2021 /62 —– Doss i er ebenfalls eine äthiopische Gemeinde. Da wurde er wütend und wetterte, das seien Abtrünnige, die ihnen nicht folgen und nun westliche Werte an­ nehmen würden. Da fragte ich mich, ob das die Einheit der Christen sein soll.» Pfarrerin Rebekka Grogg erzählt, sie habe in Busan sogar eine ihrer grössten Krisen erlebt, und zwar bei der Rede eines russischen Patriarchen, der Frauen und Homo­ sexuelle für alles Schlechte auf dieser Welt ver­ antwortlich machte. Dies habe viele Reaktionen ausgelöst, und es habe sich eine lange Schlange von Delegierten gebildet, die diesem Statement etwas entgegensetzen wollten. «Auf der einen Seite hat mich das beruhigt. Auf der anderen Sei­ te ist mir aber einmal mehr bewusst geworden, dass ein mächtiger Teil der Kirche noch immer sehr konservativ eingestellt ist. Ich fragte mich, in welcher Organisation ich da eigentlich arbei­ te und ob ich das wirklich will. Eine Nacht lang schob ich eine Kirchenkrise, wie ich es noch nie zuvor getan habe.» Verbundenheit trotz Differenzen Auch den Theologen Albrecht Hieber liessen man­ che Begegnungen etwas ratlos zurück, und er empfand es als befremdend, wie beim Auftreten mancher Priester Machtdemonstration im Vorder­ grund stand. Neben solchen Differenzen verweist er aber auch auf Begegnungen, die ihm sehr posi­ tiv in Erinnerung geblieben sind: «Ich habe viele Menschen getroffen, von denen ich das Gefühl hatte, dass wir am gleichen Strick ziehen. Ganz eindrücklich war es für mich, Menschen von den pazifischen Inseln kennenzulernen. Aufgrund des stetig steigenden Meeresspiegels wird es deren Heimat irgendwann nicht mehr geben, und sie werden darauf hoffen müssen, irgendwo Asyl zu erhalten. Diese Menschen haben grosse Hoffnung in die Verbundenheit der Christinnen und Chris­ ten. Solche Begegnungen haben mich mehr be­ rührt als andere, die eher negativ in Erinnerung bleiben.» Und tatsächlich schlägt das Gespräch um. Aus den Erzählungen meiner Gäste entsteht nun das Bild einer Versammlung, an der sich zwar die unterschiedlichsten Menschen treffen, die sich aber doch verbunden fühlen. Sei es durch ihren Glauben an Christus oder schlicht und einfach durch ihr Menschsein auf dieser Erde. Besonders berührend sei der gemeinsame Gottesdienst gegen Ende der Versammlung gewesen, berich­ ten mir die drei ehemaligen Teilnehmenden. Die Erinnerung löst noch heute, acht Jahre später, Emotionen aus. Rosette Sprecher erzählt vom ge­ meinsamen Singen von Taizé-Liedern. Tränen der Rührung glänzen in ihren Augen. «Auch das Unser Vater haben wir zusammen gebetet, alle in ihren jeweiligen Sprachen», ergänzt Albrecht Hieber. Was kommt und was bleibt Die nächste Vollversammlung steht bald vor der Tür. Und diesmal ist der Weg tatsächlich nicht weit. Was sie jenen raten, die sich dafür interes­ sieren, nächstes Jahr in Karlsruhe mit dabei zu sein, will ich wissen. Ihre Antwort: Gute Vorberei­ tungen auf die Kernthematiken seien von Vorteil, ebenso wie Englischkenntnisse. Zudem lohne es sich, das Programm zu studieren und sich früh­ zeitig für jene Veranstaltungen anzumelden, die man unbedingt besuchen wolle. Auch hätten sie vor Ort den Kontakt zuTeilnehmerinnen und Teil­ nehmern aus der Schweiz geschätzt, um das Er­ lebte zusammen zu spiegeln und einzuordnen. Die Zeit am Brunnen ist rasch vergangen. Knap­ pe zwei Stunden haben wir zusammen verbracht. Fragen stellen musste ich nur wenige. Das Gespräch floss. Doch, eine letzte Frage habe ich noch. Was ist von Busan geblieben? Geblieben ist mir die Antwort von Rosette Sprecher: «Ich versuche mich fremden Menschen nicht zu verschliessen, sie wohlwollend zu begrüssen und mir und anderen in meiner Kirch­ gemeinde in Thun bewusst zu machen, dass die Welt nicht bereits in Steffisburg endet.» Was? Die Vollversammlung ist das höchste Entschei­ dungsgremium des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Menschen aus aller Welt kom­ men zusammen, um gemeinsam zu beten, zu beraten und zu feiern. Wann und wo? Vom 31. August bis zum 8. September 2022 in Karlsruhe. Wer? Über 1500 Delegierte der weltweiten Kirchen­ gemeinschaft des ÖRK kommen zusammen. Auch Gruppen und Einzelpersonen aus Schwei­ zer Kirchgemeinden können die Vollversamm­ lung besuchen und erleben. Wie? Die Teilnahme ist auf verschiedene Weise mög­ lich, sei es mit einer selbst gebildeten Gruppe einer oder mehrerer Kirchgemeinden, mit einer interkantonalen Reisegruppe, als individuelle Teilnehmende, als Freiwillige für die Mitwir­ kung am Programm oder im Rahmen eines Weiterbildungsprogramms für Pfarrpersonen. Mehr Informationen: www.oeme.ch/karlsruhe

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