ENSEMBLE Nr. / N° 62 - Oktober / Octobre 2021

18 Doss i er —– ENSEMBLE 2021 /62 R A S S I S M U S U N D K I R C H E «Aktiv gegen Rassismus vorgehen» Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer sozialen Herkunft diskriminiert – manchmal auch ungewollt. Wie die ökumenische Bewegung weltweit und in der Schweiz dagegen ankämpft. Von Nina-Lou Frey Masiiwa Ragies Gunda, Programmverantwortli­ cher zur Überwindung von Rassismus des Ökume­ nischen Rates der Kirchen (ÖRK), sagt: «Überall auf der Welt werden Menschen diskriminiert – auch innerhalb unserer Kirchen.» Es gebe viele Menschen, die sich selber nicht als Rassisten sehen würden, aber in einem rassistischen System entsprechend handeln, so Gunda. Beispiels­ weise müsse er, der in Simbabwe geboren und auf­ gewachsen ist, teilweise andere Dokumente bei der Einreise vorweisen als jemand aus Nordamerika. «Der Einzelne ist nicht zwingend ein Rassist, er kann ein sehr netter Mensch sein, aber das Sys­ tem, in dem er arbeitet, hat ihn Stereotype und Misstrauen gelernt.» Die Mitgliedskirchen des ÖRK seien Teil dieser Strukturen, in denen diskriminie­ rend gehandelt werde. Es ist eine Sünde Der ÖRK ermutige die Mitgliederkirchen, sich mit Diskriminierung innerhalb der eigenen Gemein­ schaft zu befassen. Viele Kirchen seien sich des Problems bewusst und würden von sich aus aktiv, sagt Gunda. «Als Christinnen und Christen ist es unsere Pflicht, aktiv gegen Rassismus vorzuge­ hen.» Denn es gilt als Sünde, andere Menschen zu diskriminieren. «Die Art und Weise, wie wir lehren, ist entschei­ dend.» Denn in Kirchen kommen alle zusammen: Politikerinnen, CEOs, Lehrerinnen, Studenten. «Was wir predigen, wirkt sich auf die Politik, auf die Geschäftswelt oder das Bildungssystem aus.» Der Experte sieht vor, sich beispielsweise mit Pfarrerinnen und Pfarrern darüber auszutauschen, welche Wirkung Sprache haben kann. «Zuerst müssen wir aber erkennen, wo die Probleme lie­ gen», so Gunda. Es gebe zu wenig Studien in die­ sem Bereich. So hat der Experte des ÖRK vor, mit Kolleginnen weltweit Daten und Erfahrungen zu sammeln und diese auszuwerten. Nicht offensichtlich Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) wisse auch nicht abschliessend, ob und inwiefern innerhalb der Gemeinschaften Menschen aufgrund ihrer Herkunft ausgeschlossenen werden, so Nadi­ ne Manson, EKS-Beauftragte für Liturgie. Sie befasst sich neben vielen anderen Themen auch mit Dis­ kriminierung. Manson hat bei etlichen kantonalen Kirchen nachgefragt, was beispielsweise People of Colour für Erfahrungen machen. «Menschen haben mir erzählt, dass sie Diskriminierungen erfahren haben, dass sie gelitten haben.» Auch Manson, die madagassische Wurzeln hat, erlebte Diskriminierung im Kontext der Kirche, aber in Frankreich. So seien ihr an Anlässen ande­ re Gläubige aus dem Weg gegangen oder hätten sie immer wieder gefragt, woher sie komme. «Leu­ te machen es nicht offensichtlich, aber Diskrimi­ nierung ist da.» Wird es immer geben Manson arbeitet intensiv an Lösungen. Beispiels­ weise würde sie gerne eine Notfallnummer an­ bieten, bei der man im Fall einer Benachteiligung oder Herabwürdigung anrufen kann. Die Institution Kirche könne ein Vorbild sein. Sie appelliert: «Wir müssen uns erinnern, was in der Bibel steht: Alle Menschen sind gleich.» Trotzdem gehe sie davon aus, dass es immer Formen von Dis­ kriminierung geben wird. «Wir Menschen sind nicht perfekt.» Wichtig sei, dass alle ihre Handlungen reflektieren und erkennen, was sie getan haben. Diskriminierung kann teilweise auch system­ bedingt sein. La discrimination peut également être en partie systémique. © Keystone / Laurent Gillieron

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