ENSEMBLE Nr. / N° 62 - Oktober / Octobre 2021

20 Fokus —– ENSEMBLE 2021 /62 gung, wie Carsten Schmidt, Leiter der Fachstelle Migration, im Anschluss an Hallers Grussworte be­ tonte: Geflüchtete und Migrierende litten ungleich schwerer an den Auswirkungen der Pandemie als andere Teile der Bevölkerung: sei dies, weil sie in Asylunterkünften isoliert werden und wurden (und damit umso mehr dem Virus ausgesetzt waren und sind), sei dies, weil ihre oft prekären Arbeitsverhält­ nisse in Haushaltungen, in der Gastronomie, auf dem Bau oder im Sexgewerbe bedroht waren oder gar endeten. Wie die Kirche geflüchtete Menschen und Migrierende unter den erschwerten Bedingun­ gen von Corona unterstützen kann, dies war denn auch Thema der Tagung «Corona – und jetzt? Wo ist die Kirche am meisten gefragt?» Ausgezeichnete Integrationsarbeit Den Auftakt machte Anette Vogt, Migrations­ beauftragte der Kirchgemeinde Burgdorf, mit einem Impulsreferat über die Integrationsarbeit ihrer Kirchgemeinde: Seit 2014 bietet diese ein «Offenes Haus». Damit reagierte sie auf die prekä­ re Situation von Geflüchteten, die in Burgdorf in unterirdischen Kollektivunterkünften unterge­ bracht waren. Mithilfe von Freiwilligen stellte Vogt ein Angebot auf die Beine, das von gemein­ samen Essen und Sprachkursen bis zur Unterstüt­ zung im Asylalltag reicht. 2017 kamen «Patenschaf­ ten» hinzu, also Tandems zwischen Freiwilligen und Betroffenen, in denen es darum geht, die soziale und berufliche Integration von Menschen mit vorläufigem oder permanentem Bleiberecht zu begleiten. Wohnungssuche, Arbeitsfragen, der Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung, aber auch rechtliche Beratung stünden dabei im Vordergrund, wie Anette Vogt erläuterte. 40 sol­ cher Patenschaften konnte sie vermitteln. Mit der Coronakrise kamen allerdings viele Angebote ins Stocken, neue Freiwillige seien gefragt. Vogt er­ wähnte die Notwendigkeit, über die Kirche hinaus Allianzen zu schliessen, damit gesammeltes Wis­ sen gebündelt werden könne und nicht verloren gehe und weitere Hilfsangebote effizient vermit­ telt werden könnten: So gründete sie mit Freiwil­ ligen den Verein «IG Burgdorf integriert» mit. Er erhielt 2019 den Sozialpreis der Stadt Burgdorf und 2020 den Anerkennungspreis der Fachstelle Mig­ ration. Mit diesem Einblick in die kirchliche Integra­ tionsarbeit nahm Anette Vogt viele Erkenntnisse des Tages in Bezug auf die Frage, wo die Kirche in Die Fachstelle Migration der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn lud am 10. September zum Jahrestreffen des Netzwerks Joint Future nach Burgdorf. Kirch- liche Akteure und Expertinnen im Asyl- und Migrationsbereich tauschten sich über die Pandemie und ihre Auswirkungen für Geflüchtete und Migrierende aus – und darüber, was Kirchen tun können. Von Susanne Leuenberger «Heimat ist da, wo es nicht egal ist, dass es einen gibt.» Mit diesen Worten, einem Zitat des Sozio­ logen Harald Welzer, begrüsste Dieter Haller, Kirchgemeinderatspräsident der gastgebenden Reformierten Kirchgemeinde Burgdorf, die Teil­ nehmenden des «Joint Future»-Treffens im kirch­ lichen Zentrum Neumatt. Heimat, fuhr Dieter Haller fort, entstehe in Beziehungen, durch das Leben miteinander und die Wertschätzung. Pandemie verstärkt Marginalisierung Doch eine Heimat in diesem Sinne ist die Schweiz für Menschen, die hierher flüchten oder einwan­ dern, oftmals eben nicht: Vielmehr prägen das Leben in Kollektivunterkünften, das Nichtarbei­ tendürfen sowie die Ungewissheit über die Zu­ kunft den Alltag von Geflüchteten und Migrierten. Die Covidkrise verschärfte die bestehende gesell­ schaftliche Marginalisierung und Benachteili­ CORONA IN DER KOLLEKTIVUNTERKUNFT WAS KANN DIE KIRCHE TUN? Synodalrat Ueli Burkhalter. Le conseiller synodal Ueli Burkhalter. © Heinz Bichsel

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