ENSEMBLE Nr. / N° 62 - Oktober / Octobre 2021

21 ENSEMBLE 2021 /62 —– Fokus Zentren sei gross, Erfahrungen entsprechend unterschiedlich, Freiwilligenarbeit und kirchli­ che – praktische und finanzielle – Unterstützung tue aber überall not. So etwa in der Gewährleis­ tung von zahnmedizinischen Behandlungen. Da­ bei könne es sich lohnen, ein Netzwerk von Zahn­ ärztinnen und Zahnärzten aufzubauen, die Asylsuchende zu Niedrigtarifen behandelten. Zukunftsängste Die «Auswirkungen der Coronapandemie auf die psychische Gesundheit» thematisierte der Kinder- und Familienpsychiater Adam Bodo, der in seiner Praxis auch geflüchtete Menschen behandelt. Vor allem Seelsorgerinnen und Seelsorger besuchten seinen Workshop und diskutierten Möglichkeiten, traumatisierte Geflüchtete fachgerecht zu beglei­ ten. Viele Geflüchtete erlebten derzeit eine Retrau­ matisierung durch den (coronabedingten) Tod von Angehörigen in ihrer Heimat, die Isolation in den Asylunterkünften (und die damit einhergehende Bedrohung durch das Virus) und litten an Zukunfts­ ängsten, wie Bodo ausführte. Eine angemessene Begleitung nehme das Gegenüber ernst und ver­ suche, Gefühle von Schuld, Scham, Angst oder Ohn­ macht zu verarbeiten, auch mithilfe von Ritualen. ImWorkshop «Wie aus dem Flüchtling ein ‹ge­ wöhnlicher Ausländer› wird» boten Markus Bieri, Leiter des Sozialdienstes Frutigen, und Tom Mor­ genegg, Geschäftsführer der isa-Fachstelle Migra­ tion, einen Crashkurs im Ausländerrecht – mit Fokus auf die Stolpersteine, die Menschen auf dem Weg zum endgültigen Bleiberecht antreffen. Wie Tom Morgenegg kritisch anmerkte, reichten die staatlich angebotenen Sprach-, Förder- und Be­ ratungsangebote bei weitem nicht aus: Es brauche die Kirche – und es brauche Freiwillige. Er appel­ lierte an die Vernetzung von professionellen, semi-­ professionellen und freiwilligen Ressourcen. der Asyl- und Integrationsarbeit gefragt ist, vor­ weg. Die darauffolgenden vertiefenden Vorträge und Workshops bestätigten, wie wichtig die Kir­ che und ihre Freiwilligen als Partner für NGOs, Beratungsstellen, aber auch Behörden sind. Langfristige Stabilität Gisela Hurschler von Save the Children teilte mit Interessierten im Workshop «Zu wenig beachtete Rechte? Wie es Kindern in Kollektivunterkünften geht» ihre Einschätzungen zur Situation von Min­ derjährigen in Asylunterkünften und lotete aus, wie Freiwilligenarbeit aussehen könnte. Als unge­ mein wichtig hob sie langfristige Engagements in Spiel- und Lernangeboten hervor, um Kindern und Jugendlichen ein Stück Stabilität im prekären, von Beziehungsabbrüchen geprägten Alltag zu bieten. Best-Practice-Beispiele zu Lobbying und Me­ dienarbeit vermittelten Jürg Schneider vom Verein Offenes Scherli und Daniel Winkler, Pfarrer in Riggisberg, im Workshop «Ursachen- statt Symp­ tombekämpfung: politische Einflussnahme von der Basis aus». Schneider präsentierte als Beispiel einen Kurzfilm der Aktionsgruppe Nothilfe über das Schicksal des jungen Eritreers Robel, der nach einem negativen Asylentscheid seine erfolgreich begonnene Gärtnerlehre abbrechen musste und nun in einem Rückkehrzentrum ohne Arbeit und mit der Angst vor der drohenden Ausschaffung lebt. Der Film wurde an die Medien und Politiker gesandt. Kathrin Buchmann von der Kirchlichen Kon­ taktstelle für Flüchtlingsfragen lud zum «Aus­ tausch zur Neustrukturierung des Asyl- und Flüchtlingsbereichs im Kanton Bern». Erste Erfah­ rungen mit den zuständigen regionalen Partnern (ORS, SRF, Asyl Bern Oberland, Stadt Bern, Zentrum Bäregg) standen im Zentrum. Fazit der Diskussio­ nen: Der Ermessenspielraum der Betreibenden von Workshops zu unterschiedlichen Themen. Ateliers sur différents thèmes. © Heinz Bichsel

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