ENSEMBLE Nr. / N° 62 - Oktober / Octobre 2021

24 Fokus —– ENSEMBLE 2021 /62 M A N C H M A L K O M M T E S E B E N A U C H G U T Eine Geschichte, die Mut macht Weil sein Asylgesuch abgelehnt wurde, musste der aus Afghanistan stammende Ali Amiri seine Käserlehre vorzeitig abbrechen (wir berichteten darüber in der März- Ausgabe 2021). Doch der 23-Jährige hatte Glück: Sein Härtefallgesuch wurde geneh- migt, und er kann seine Lehre fortsetzen. Von Angela Wagner Am Fuss der Gantrischkette in Rüschegg Gambach befindet sich die Käserei von Familie Blum. Dieser kleine Familienbetrieb ist die neue Wirkungsstät­ te des Käserlehrlings Ali Amiri. Dass der junge Afghane wieder arbeiten darf, ist keine Selbstver­ ständlichkeit. Aufgrund des abgelehnten Asylge­ suches musste er seine Lehre bei Käser Hans Mäder in Mamishaus im Sommer 2020 abbrechen und landete in der Nothilfe. «Es war eine schwierige Zeit», erinnert sich Amiri. «Ein ganzes Jahr lang durfte ich nicht arbeiten und hatte jeden Tag Angst, die Schweiz verlassen zu müssen.» Legalisierter Aufenthaltsstatus Im Juni dann endlich die gute Nachricht: Sein Här­ tefallgesuch wurde genehmigt und er bekam einen B-Ausländerausweis. Zwar wurde er nicht als Flüchtling anerkannt, doch aufgrund der be­ sonderen Härte, die eine Wegweisung in seinem Fall bedeutet hätte, wird er nun offiziell in der Schweiz geduldet. Seine Aufenthaltsbewilligung ist an diese Bedingung geknüpft: Er muss erwerbs­ tätig und von der Sozialhilfe unabhängig sein, und er darf sich nichts zuschulden kommen lassen. Unterstützt wird Amiri vom Verein Offenes Scher­ li. Mit vereinsinternen Geldern wird vorläufig sein Lehrlingslohn ausgeglichen, später steht eventu­ ell ein kantonales Stipendium in Aussicht. Zudem wird Amiri von einem Integrationsbegleiter des Vereins im Hinblick auf eine selbständige Gestal­ tung des Alltags beraten und begleitet. Neue Perspektiven Nach jahrelanger Unsicherheit herrscht nun end­ lich Klarheit: Der junge Afghane darf bleiben und sich in der Schweiz eine Zukunft aufbauen. Auf die Frage, welche Pläne er nun schmiede, antwor­ tet er noch zurückhaltend: «Zuerst will ich meine Lehre abschliessen. Das ist mein nächstes Ziel. Erst dann kann ich weiterplanen.» Nach monatelanger Perspektivenlosigkeit muss sich diese neu gewon­ nene Freiheit wohl noch etwas unsicher und bei­ nahe fremd anfühlen. «Es ist wie ein Neuanfang, als wäre ich nach einer langen Reise endlich angekommen», beschreibt Amiri seinen Gefühls­ zustand. Die Chancen stehen gut, dass Amiri nach der abgeschlossenen Lehre als Milchpraktiker bei Blums wieder in seinen ursprünglichen Lehr­ betrieb zu Hans Mäder zurückkehren kann, um dort entweder noch das EFZ als Milchtechnologe anzuhängen oder eine Anstellung zu erhalten. Sowohl Mäder wie auch Blum loben Amiri für sei­ ne schnelle Auffassungsgabe, seine Präzision so­ wie seine Freundlichkeit und machen sich keiner­ lei Sorgen um die berufliche Zukunft des jungen Afghanen. «Es gibt nur wenige Leute, die den Be­ ruf des Käsers ausüben wollen, und willige Fach­ kräfte wie Ali sind in unserer Branche gesucht», so Blum. Nicht alle haben dieses Glück Amiris Geschichte ist eine, die Hoffnung macht, dass es sich lohnt, geflüchtete Menschen zu unter­ stützen und ihnen eine Chance zu geben. Einer, der immer an Amiri geglaubt hat, ist Jürg Schnei­ der, Präsident des Vereins Offenes Scherli: «Ich freue mich von ganzem Herzen für Ali, der mir mit seiner offenen und gewinnenden Art ans Herz ge­ wachsen ist.» Gleichzeitig sei Amiris Geschichte aber auch eine, die aufzeige, wie willkürlich dieses System funktioniere. «Bei Ali hat es nun geklappt – doch viele andere Betroffene, darunter auch Fa­ milien mit Kindern, warten und hoffen noch im­ mer.» Das mache ihn glücklich und wütend zugleich – und stärke seinen Willen, weiterhin dranzubleiben. © Angela Wagner

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