ENSEMBLE Nr. / N° 63 - Januar / Janvier 2022

24 Fokus —– ENSEMBLE 2021 /63 Formen der Kirchenbindung wahrnehmen und ermöglichen, wie das der Vortrag von Gerald Kretzschmar nahelegt? Soll Kirche Menschen anleiten, Gott im Alltag zu entdecken, auch in den muffeligen Ecken unserer Welt, wie das Christian Bauer aus Innsbruck angeboten hat? Auf jeden Fall stellen sich ganz neue Fragen an Kirchgemeinden und Kirchenleitung in einer Zeit, in der Menschen oft nicht mehr selbstverständlich kirchlich sozialisiert sind und neue kirchliche Bewegungen entstehen, die nicht mehr geordnet organisiert werden können – wie das Leben insgesamt. Ist Kirche nur, wo Kirche draufsteht? Hilfreich und inspirierend war auch das Forumtheater, in dem in zwei Szenen die Frage nach den Grenzen gestellt wurde: Wie gehen wir mit Wünschen einer Tauffamilie um und wo liegen die Grenzen? Welchen Raum finden bei uns Bewegungen ausserhalb der Kirche, die sich für Werte engagieren, die auch «unsere» Werte sind? Wo muss Kirche draufstehen? Wo ist Kirche drin? Ist Kirche nur, wo Kirche draufsteht? Lustvoll konnten sich die Teilnehmenden der Tagung einbringen und den Verlauf der Gespräche und Sitzungen beeinflussen, ja sogar auf der Bühne selber spielen. Selten wurde bei einer Tagung so viel gelacht – und gleichzeitig so viel gelernt. In den Workshops wurden praktische Anregungen geliefert. − Für wen ist unsere Kirche denn eigentlich noch relevant und wie können wir andere Gruppen erreichen? − Welche kirchlichen Orte haben wir gar nicht im Blick? Ist denn die Klimabewegung auch ein kirchlicher Ort? Und wenn das so ist: Wie kommen wir mit ihr ins Gespräch und wie bewältigen wir die bestehenden Grenzen? − Wie können wir im digitalen Raum als Sinnfluencer Einfluss nehmen – und v.a. wer kann das von uns? Und wer soll es können? − Wer ist neben uns mit den gleichen Zielen unterwegs – und wie gehen wir mit ihnen um? Eindrücklich zu sehen wie beispielsweise am Foodsave-Bankett in Bern, an dem Kirche eine Bewegung unter vielen ist, die sich für eine gerechte Welt einsetzt. − Am Beispiel «Coffee and Deeds» wurde diskutiert, wie Kirche in einem städtischen Quartier mit einem Café zum Zentrum des Quartiers werden kann, wo alle willkommen sind und Kirche dennoch erkennbar bleibt. Und wieder trafen sich viele Kirchenbewegte unserer Kirche in der Heitere Fahne in Wabern. Grenzgänge wollten sie wagen. Die Heitere Fahne mit ihrer bunten und lebendigen Ausstrahlung birgt viel Raum für Grenzgänge für uns Kirchenmenschen und kann eine «Kirche in Bewegung» inspirieren. Von Ralph Marthaler* Im Jahr 2019 fand die erste Tagung Kirche in Bewegung statt – und sie löste in unserer Kirche einiges aus. Der Synodalrat hat inzwischen eine Policy zu Innovationen verabschiedet, er hat einen Erprobungsfonds ins Leben gerufen, durch den neue Formen kirchlicher Präsenz grosszügig gefördert werden können, er stellt Bewegungen, die entstehen, deutlich ins Schaufenster. Und nicht zuletzt: Er nimmt zahlreich und aktiv an den Tagungen Kirche in Bewegung teil. Diverse Fragenstellungen Und so traf man sich im September 2021 wiederum in Wabern, um Fragen rund um Tradition und Erneuerung, Verabschiedung und Neubeginn, Bewährtes und Experimente, Innen und Aussen zu diskutieren. Spannung lag in der Luft, intensive Diskussionen belebten die Heitere Fahne. Die Referierenden forderten heraus, die Teilnehmenden liessen sich herausfordern. Braucht es einen ganz anderen Zugang zu Kasualien, dienstleistungsorientiert gedacht, konsequent an nicht mehr kirchlich sozialisierten Menschen orientiert, ausgelagert an eine kirchliche Ritualagentur, wie Emilia Handke das in Hamburg erprobt? Ist Kirchenmitgliedschaft heute zu einseitig gedacht und müssten Kirchen unterschiedliche « K I R C H E I N B E W E G U N G I I – G R E N Z G Ä N G E » Ein hoffnungsfroher Tagungsbericht © Marvin Meyer Es wurde gelacht und gelernt. On a ri et appris.

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