5 ENSEMBLE 2022 /65 —– Doss i er Christus erhält durch seine Leitung diese Kirche am Leben. Darin, dass die Kirche geistlich geleitet wird, steckt deshalb eine grosse Entlastung. Nämlich das Versprechen, dass Christus diese Kirche nicht sich selbst überlässt. Sondern dass er sie erhält, indem er sie immer neu auf ihre Aufgabe ausrichtet. Presbyterial-synodale Leitung Damit kommen wir zu einer weiteren Frage: Wer ist das, der oder die in der Kirche leitende Verantwortung trägt? Und hier kommen nun reformatorische und reformierte Spezifika im Verständnis der Kirche zum Zuge. Wir sprechen vom reformatorischen «Priestertum aller Gläubigen». Beim Priestertum aller Gläubigen geht es nicht um Verteilung von Macht, sondern um Verantwortung. Das meint: Jeder Christ und jede Christin ist in der Lage, die Bibel zu lesen und zu verstehen und sich auf dieser Basis ein selbständiges Urteil zu bilden. Das allgemeine Priestertum kann auch übersetzt werden mit dem Begriff der religiösen Mündigkeit. Aus dieser Kompetenz ergibt sich eine Verantwortung. Damit versteht es sich, dass mit dem Auftrag der Kirche die Leitung der Kirche der gesamten Gemeinde anvertraut ist. Denn die Leitung der Kirche zielt ja auf nichts anderes als auf die rechte Ausführung des Auftrags. Und wie alle Glieder der Gemeinde die Kompetenz und die Aufgabe haben, in Fragen des Glaubens selbständig zu urteilen, so haben sie auch die Kompetenz und die Aufgabe, sich zu Fragen, wie dieser Glaube in der Welt weitergegeben werden solle, ein selbständiges Urteil zu bilden. Diese gemeinsame Leitungsverantwortung hat bei den Reformierten von Anfang an in der Leitungsstruktur Gestalt angenommen. Es war Calvin, der aus dem Neuen Testament vier Ämter der Kirche abgeleitet hat: die Pastoren (also die Pfarrer), die Lehrer (verantwortlich für die Bildung des kirchlichen Personals), die Ältesten (verantwortlich für die Aufsicht über die Gemeinde) und die Diakone (die für das Soziale zuständig sind). Wichtig war für Calvin, dass die Leitung der Gemeinde nicht einem dieser Ämter obliegt, sondern dass sie kollegial von allen wahrgenommen wird. Man nennt diese kollegiale Leitung auch presbyteriale Leitung. Für übergemeindliche Fragen wurde die Synode als regionales Leitungsgremium eingeführt, so dass man in der reformierten Kirche von einer presbyterial-synodalen Leitung spricht. Hörende Leitung Ein weiterer Aspekt leitet sich im Wesentlichen aus der Kirchenordnung des Evangelisch-reformierten Synodalverbandes Bern-Jura ab. Im Artikel 104 steht: «Gemeindeleitung ist verantwortliches Handeln und Entscheiden im Hören auf das Wort Gottes zum Wohl der Gemeinde.» Dieser Artikel Für übergemeindliche Fragen wurde die Synode als regionales Leitungsgremium eingeführt, so dass man in der reformierten Kirche von einer presbyterial-synodalen Leitung spricht. Le Synode y a été introduit comme organe régional de direction pour traiter les questions supraparoissiales; c’est pourquoi le modèle de direction réformé est nommé modèle presbytérosynodal. © Michael Stahl
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