ENSEMBLE Nr. / N° 68 - Dezember / Décembre 2022

Sozialdiakonie in Krisenzeiten − «Sozialdiakonie kann Räume schaffen» La diaconie en temps de crise – «La diaconie peut créer des espaces» N r . / No 68 —— D e z e m b e r / D é c e m b r e 2 0 2 2 Das Magazin der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn Le Magazine des Eglises réformées Berne-Jura-Soleure

Inhal t —– ENSEMBLE 2022/68 I N H A L T I M P R E S S U M ENSEMBLE — Magazin für mitarbeitende, ehrenamtliche und engagierte Mitglieder der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn / Magazine pour les membres engagés, collaborateurs et bénévoles des Eglises réformées Berne-Jura-Soleure — Herausgeberin / Editeur: Reformierte Kirchen BernJura-Solothurn / Eglises réformées Berne-Jura-­ Soleure / Altenbergstrasse 66, Postfach / Case postale, 3000 Bern 22, ENSEMBLE@refbejuso.ch (auch für Abobestellungen) Erscheinungsweise / Parution: 5-mal pro Jahr / 5 fois par année — Auflage / Tirage: 7160 — Nächste Ausgabe / Prochaine parution: Ende Februar / fin février Redaktion / Rédaction: Adrian Hauser (verantwortlich / responsable), Nathalie Ogi, Kirchliche Bibliotheken (Schaufenster), Tony Marchand (Cartoon), Rahel Gerber (Layout) — Übersetzungen / Traductions: André Carruzzo, Rolf Hubler (Deutsch), Gabrielle Rivier, Nadya Rohrbach — Korrektorat / Corrections: Renate Kinzl — Titelbild / Image de couverture: Symbolbild (Keystone /AP Photo / Altaf Qadri) Grafisches Konzept / Concept graphique: Neidhart Grafik, Klösterlistutz 18, 3013 Bern — Inhaltliches Konzept und Beratung / Concept du contenu et conseil: hpe Kommunikation, Sustenweg 64, 3014 Bern — Layout / Druck / Impression: Jost Druck AG, Stationsstrasse 5, Postfach 102, 3626 Hünibach 4 DOSSIER SOZIALDIAKONIE IN KRISENZEITEN La diaconie en temps de crise 10 14 18 20 Paarbeziehungen, Familien, Krisen – Folgen heutiger Krisen Relations conjugales et familiales face aux crises contemporaines Kirchgemeinde Biel – «Vernetzungsarbeit ist zentral» Paroisse de Bienne – «La mise en réseau est essentielle» Diaconie – Une situation tendue en Suisse romande Diakonie – Angespannte Lage in der Westschweiz Psychische Gesundheit – Erste Hilfe in Kirchgemeinden 21 FOKUS Aktuelles aus Bern-Jura-Solothurn FOCUS Actualités de Berne-Jura-Soleure 30 KREUZ UND QUER Aus den Bezirken, Kirchgemeinden und dem Haus der Kirche DE LONG EN LARGE Régions, paroisses et Maison de l’Eglise 35 SCHAUFENSTER VITRINE

3 ENSEMBLE 2022/68 —– Edi tor ial Wie kann Sozialdiakonie auf Krisenzeiten wie Corona reagieren, um den Menschen, die es nötig haben, adäquat zu helfen? Um auf bis anhin noch nicht bekannte Krisen zu reagieren, muss die Sozialdiakonie agil bleiben. Wie sie das bleiben kann, erklärt Christoph Schwarz, Rektor des TDS Aarau. Für ihn geht es zunächst um eine Klärung des Auftrags: Wie versteht die Sozialdiakonie grundsätzlich ihren Auftrag? Aber auch um eine Klärung der eigenen Haltung: Welches sind meine eigenen Grundhaltungen und Muster im Denken? Handle ich mit Blick auf eine Verbesserung der Situation? Eine Erhebung von Sozialdiakonie Schweiz hat gezeigt, dass sozialdiakonisches Handeln in Zeiten von Corona durchaus Verbesserungen brachte. Zudem erwiesen sich sozialdiakonische Mitarbeitende in Kirchgemeinden als äusserst kreativ. Auf ganz unterschiedliche und originelle Wege stellte man sich rasch auf die neue Situation ein. Ist die Sozialdiakonie solchen Krisen gewachsen? Ohne jeglichen Zweifel! Aber die Krise ist noch nicht ausgestanden. Gemäss Susanne Kocher, Beraterin für Ehe, Partnerschaft und Familie, sind die Folgen der Pandemie bis heute spürbar. So hätten einige Personen aus ihrer Klientel in dieser Zeit massive Konflikte erlebt, die bis heute nachhallen. Und währenddem solche Dinge noch aufgearbeitet werden müssen, befinden wir uns direkt in der nächsten Krise: der Ukrainekrieg und die drohende Energieknappheit. Gemäss der Sozialberatungsstelle Biel könnten höhere Energiekosten Menschen, die sich jetzt schon in einer schwierigen Lage befinden, noch mehr in Not bringen. Ein Thema, mit dem die Beratungsstelle vertraut ist. Denn bereits jetzt berät sie Menschen auch in finanziellen Fragen. Die Sozialdiakonie ist also durchaus bereit, um in Krisenzeiten rasch und auf die jeweilige Situation zugeschnitten reagieren zu können. Diese Fähigkeit wird in Zukunft wohl mehr denn je gefragt sein. Comment la diaconie sociale peut-elle faire face à des périodes de crise comme celle du Covid afin d’aider de manière adéquate les personnes qui en ont besoin? Elle doit avant tout rester souple afin d’être en mesure de réagir à des situations jusqu’alors inconnues. Christoph Schwarz, recteur de la Haute école de théologie et de diaconie d’Aarau, explique comment c’est possible. Pour lui, il s’agit d’abord d’avoir une mission claire: comment la diaconie sociale comprend-elle fondamentalement sa vocation? Mais il s’agit aussi d’être au clair sur sa propre attitude: quelle est mon attitude fondamentale et mon modèle de pensée? Est-ce que j’agis dans l’optique d’une amélioration de la situation? Un sondage réalisé par Diaconie Suissemontre que la diaconie sociale a su réagir de manière positive durant la pandémie. En outre, dans les paroisses ses collaboratrices et collaborateurs se sont montrés extrêmement créatifs. Elles et ils se sont rapidement adaptés à la nouvelle situation en recourant à des mesures très diverses et originales. Alors la diaconie sociale est-elle à la hauteur de telles crises? Sans aucun doute! Mais la crise n’est pas encore terminée. Selon Susanne Kocher, spécialisée en thérapie de couple intégrative et conseillère conjugale, les conséquences de la pandémie se font encore sentir aujourd’hui. Ainsi, sa clientèle a souvent traversé d’énormes conflits qui résonnent encore aujourd’hui. Et alors que ces tensions devaient encore être traitées, les crises suivantes surgissaient déjà: la guerre en Ukraine et la menace de pénurie d’énergie. Selon le service de consultation sociale de la paroisse de Bienne, l’augmentation des coûts de l’énergie pourrait plonger des personnes déjà dans une situation difficile dans une détresse encore plus grande. Un sujet que ce centre de conseil connaît bien. En effet, il conseille déjà des personnes sur des questions financières. La diaconie sociale est donc tout à fait prête à réagir rapidement et de manière adaptée en temps de crise. Et cette capacité sera sans doute plus que jamais nécessaire à l’avenir. LIEBE LESERINNEN UND LESER CHÈRE LECTRICE, CHER LECTEUR F E D I T O R I A L Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre Nous vous souhaitons une lecture riche en découvertes Adrian Hauser, verantwortlicher Redaktor / rédacteur responable

4 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /68 «SOZIALDIAKONIE KANN RÄUME SCHAFFEN» SOZIALDIAKONIE IN KRISENZEITEN «LA DIACONIE PEUT CRÉER DES ESPACES» LA DIACONIE EN TEMPS DE CRISE Der Theologe und Pfarrer Christoph Schwarz leitet das TDS in Aarau als Rektor. Er berichtet, wie Sozialdiakonie in Krisensituationen wie beispielsweise Corona oder dem Ukrainekrieg reagieren kann. Wichtig für ihn ist, dass Sozialdiakonie agil handelt. Von Adrian Hauser Herr Schwarz, welche Bedeutung hat die Sozialdiakonie in Zeiten von Krisen, die von aussen kommen, wie beispielsweise der Ukrainekrieg oder die Coronakrise? Die Sozialdiakonie dient Menschen in Bezug auf ihre körperlichen, psychischen, sozialen, kulturellen und spirituellen Bedürfnisse. Wo immer aktuelle Krisen in diesen Bereichen Nöte entstehen lassen, ist die Sozialdiakonie besonders gefragt. In der Coronazeit waren dies beispielsweise konkrete Hilfestellungen beim Einkaufen für vulnerable Personen oder kreative Beziehungsangebote und Möglichkeiten zur Gemeinschaft, wo diese weggefallen war. Damals und aktuell mit dem Ukrainekrieg entstanden auch viele Ängste und Unsicherheiten. Da ist der christliche Glaube – das Evangelium – eine hoffnungsstiftende und Halt gebende Ressource. Wie politisch darf oder soll Sozialdiakonie in solchen Zeiten sein, in denen sich Leute auch Fragen zur Politik stellen? Sozialdiakonie kann Räume schaffen, wo Fragen gestellt und diskutiert werden können. Die Kirche kann ein Ort des Austauschs sein, wo kontroverse Meinungen Platz haben und ein sorgfältiger Umgang mit unterschiedlichen Positionen eingeübt wird. Sozialdiakonie darf durchaus auch eine prophetisch-politische Dimension haben und sich anwaltschaftlich für Notleidende zu Wort melden. Was könnte der Wegweiser der Sozialdiakonie in politischen Fragen sein? Häufig ist es in konkreten politischen Fragen nicht einfach zu sehen, welche Positionen am ehesten einer christlichen Ethik entsprechen. Grundsätzlich sind zwei Stichworte leitend: Was entspricht der Liebe und was entspricht Jesus Christus? Dazu gehört der Respekt vor der Gleichheit, Besonderheit und Würde aller Menschen. Ein Ziel ist die Teilhabe aller Menschen an Gemeinschaft und Gesellschaft. Mit welchen Fragen wurde die Sozialdiakonie in der Zeit von Corona konfrontiert? Zunächst war die Frage, inwiefern Angestellte und Verantwortliche in der Sozialdiakonie persönlich handlungsfähig waren, weil das Thema alle betraf und unterschiedlich herausforderte. Dann kam die konkrete Frage, welche Bedürfnisse vor Ort entstanden, welche Netzwerke und Organisationen darauf reagierten und welche Rolle die Sozialdiakonie darin haben kann. Wo schon eine gute Vernetzung in die Zivilgesellschaft und eine gut betreute Freiwilligenarbeit bestanden, konnte besser reagiert werden. Eine der Hauptformen des Handelns, nämlich Gruppen, fiel weg. Einzelbetreuungen waren nicht im herkömmlichen Sinne möglich. Eine Frage war auch, inwiefern die Sozialdiakonie beweglich und kreativ war, neue Formen der Unterstützung zu finden. War man sich gewohnt, gemeinwesenbezogen zu denken und zu handeln? Wie konnten Mitarbeitende der Sozialdiakonie während dieser Zeit helfen? Können Sie ein Beispiel nennen? Während des Lockdowns stellte die Sozialdiakonin von Birr-Lupfig bei einer kurzen Analyse der Situation fest, dass die Nahrungsmittelverteilung von «Cartons du Cœur» und «Tischlein deck dich» aufgrund der Coronamassnahmen eingestellt wurden. Weiter war schnell klar, dass der Bedarf aber

5 ENSEMBLE 2022 /68 —– Doss i er Christoph Schwarz weiterhin besteht und der Wegfall dieser Nahrungsmittelverteilung Menschen in Not bringen wird. Kreativ konnte die Sozialdiakonin kurzfristig einen Kirchenraum mit grossen Glastüren nach aussen so einrichten, dass er gut belüftet war und die Leute in Selbstbedienung zu ihren Nahrungsmitteln kamen. So konnte die Kirchgemeinde die entstandene Lücke überbrücken, bis die zwei anderen Organisationen ihre Arbeit wieder aufnehmen konnten. Sie sagten, in Krisen sei es wichtig, «agil» zu handeln. Was verstehen Sie genau unter dieser Agilität? Im obigen Beispiel war es möglich, Entscheidungen für diese Raumnutzung und Lebensmittelhilfe schnell zu treffen. Es musste nicht auf die nächste Kirchgemeinderatssitzung gewartet werden – Entscheidungswege waren kürzer und dadurch agiler. Gleichzeitig wurde nicht überstürzt gehandelt: Zum agilen Handeln gehört auch das sorgfältige Wahrnehmen von Situationen und Bedürfnissen. Es wurden auch bestehende Netzwerke zu anderen Organisationen genutzt. Und es war innerlicher Freiraum vorhanden, sich auf eine neue Situation einzulassen. Wie kann die Sozialdiakonie agiler werden oder agil bleiben? Wichtig scheint mir ein klares Bild des Auftrags: Was verstehen wir unter Sozialdiakonie, wie verstehen wir grundsätzlich unsere Aufgaben? Dann ist auf der persönlichen Ebene der eigene Habitus zentral: Was sind meine Grundhaltungen und Grundmuster im Denken und Handeln? Denke ich gewohnheitsmässig an die Armen, Ausgegrenzten und Schwachen? Fühle ich Mitleid, Ohnmacht und Empörung mit ihnen? Handle ich im Blick auf eine Verbesserung ihrer Situation? Ein klarer Auftrag und geklärter Habitus führt zu agilerem Handeln! Es braucht aber auch schnelle Entscheidungen, Angestellte, die offen und kreativ in den Methoden sind. Auch ein gutes Netzwerk zu Fachstellen und Organisationen im Sozialwesen sowie eine gute Freiwilligenarbeit, die bei plötzlichem Bedarf zur Verfügung stehen, sind sehr hilfreich. Sie boten am TDS eine Unterrichtseinheit zu diesem Thema an. Was wollten Sie Ihren Studierenden dabei hauptsächlich vermitteln? Themen wie die hier erwähnten, und wir liessen sie zudem reflektieren, wie sie selber in ihren Ausbildungsstellen in der Lockdownzeit reagiert hatten, um für zukünftige Krisen zu lernen. Wie waren die Rückmeldungen der Studierenden zu dieser Unterrichtseinheit? Sie wurde als sehr hilfreich empfunden und es wurde geschätzt, dass wir auf diese aktuelle Situation eingehen konnten und dafür Raum im Stundenplan schufen. Gerne komme ich noch zu einer aktuellen Krise: drohende Energieknappheit und ein Krieg, den viele nicht verstehen. Wie kann die Diakonie darauf reagieren? Nahe bei den Menschen sein und mit ihnen erfassen, wo dadurch neue Bedürfnisse entstehen. Dabei geht es um eine Situationsanalyse, möglicherweise um eine Sozialraumanalyse, sowie Partizipation, also Teilhabe. Man muss gut abklären, welche anderen Player bereits Hilfestellungen anbieten. Dann soll man erkennen können, wo es Lücken gibt und wo eine Aufgabe für die kirchliche Diakonie bestehen könnte. Zum Beispiel gab es im Aargau gerade ein Austauschtreffen Diakonie, wo verschiedene Fachstellen besprachen, welche Bedürfnisse bei höheren Energiepreisen absehbar sind und welche Organisationen welche Hilfsmöglichkeiten haben. Sie traten kürzlich an einer Tagung von Refbejuso zu diesem Thema auf und hielten dort ein Referat zu diesem Themenkreis. Um was ging es in Ihrem Referat? Um vieles von dem, was ich in diesem Interview gerade gesagt habe. Zudem habe ich ein hilfreiches, grundlegendes Handlungsmodell vorgestellt, mit dem die Teilnehmenden über mögliche Habitus-Formulierungen ins Gespräch kamen. Wir diskutierten auch über häufige Stressreaktionen und wie wir zur hilfreicheren Reaktion kommen können. © Phil Wenger Photography

6 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /68 Agil in der Coronazeit Eine Erhebung von Diakonie Schweiz zeigt auf, dass die Kirche sich durchaus rasch auf die Coronakrise anpassen konnte. Dies durch teilweise originelle Angebote für verschiedene Zielgruppen. Von Adrian Hauser Diakonie Schweiz machte als Dachverband eine Erhebung zu «Diakonie in Krisenzeiten». Dabei entstand eine Sammlung an Leistungen, mit denen die Sozialdiakonie in dieser Zeit einerseits rasch reagieren konnte und dabei auch auf die Bedürfnisse der Menschen einging. Deutlich wird: Die Sozialdiakonie hat es in dieser Zeit geschafft, «agil» zu bleiben, wie es Christoph Schwarz im Interview benennt, und sich aktiv auf eine neue, noch nie da gewesene Situation einzustellen. Die veröffentlichten Resultate lesen sich schon fast wie ein «Rezeptbuch». Es ist beindruckend, wie viele Ideen entstanden, die auch einen effektiven Nutzen hatten. Altersarbeit durch Kontakte Bei der Altersarbeit wurden rasch Einkaufshilfen organisiert. Dies tat auch Refbejuso mit einer Online-Plattform, die Helfende und Hilfesuchende miteinander vernetzte und in Kontakt brachte. Es wurde aber auch Essen über den Gartenzaun verteilt, teilweise inklusive seelsorgerlicher Dienste oder anderer Gespräche. Damit deckte man zwei Grundbedürfnisse ab: Nahrung und soziale Kontakte, die in dieser Zeit erschwert oder gar unmöglich waren. Kontakten wurde gemäss der Erhebung eine grosse Beachtung geschenkt. Mit verschiedenen Angeboten ermöglichte man es den Leuten trotz Zeiten der Isolation, soziale Kontakte zu pflegen. Es gab schriftliche Möglichkeiten durch Briefe und Karten. Auch Briefe mit Predigten wurden angeboten. Oder man verteilte Zeichnungen. Dies war auch ein Angebot, das Personen mit Demenz auf eine niederschwellige Ebene ansprechen konnte. Doch auch per Telefon versuchte man mit der älteren Bevölkerung im Gespräch zu bleiben. Online mit Jugendlichen Für die Altersarbeit wurden viele Angebote geschaffen, doch auch die Jugend und Familien wurden in dieser Zeit von den Kirchgemeinden nicht vergessen. So wurden Familien mit Spielzeug versorgt und für diejenigen mit finanziellen Problemen wurden Unterstützungsfonds eingerichtet. Berufstätige Eltern unterstützte man zudem mit Entlastungsangeboten. Auch Gutscheine für Einkäufe oder Essenslieferungen wurden verteilt. Jugendlichen gab man beispielsweise Aufgabenhilfe per Whatsapp oder man kommunizierte online mit ihnen. Es wurde auch gemeinsames Spiel per Zoom angeboten. Für Bedürftige gab es einen Gabenzaun. Spendende konnten haltbare Lebensmittel und Kleidung in gut verschlossenen Beuteln an Zäunen aufhängen, Bedürftige konnten diese dann für ihre Bedürfnisse auswählen und mitnehmen. Ganz ohne menschlichen Kontakt. Die Erhebung von Sozialdiakonie Schweiz beweist, dass die Kirche auf Krisen reagieren kann. Mit Einfallsreichtum und Anpassungsfähigkeit an eine aktuelle Situation. Die Kirche schaffte es in der Coronazeit, auf kreative Art mit den Menschen in Kontakt zu bleiben. Lors du Covid, l’Eglise a su faire preuve de créativité pour garder le contact avec les gens. © Pixabay

7 ENSEMBLE 2022 /68 —– Doss i er F Le théologien et pasteur Christoph Schwarz est le recteur de la Haute école de théologie et de diaconie d’Aarau. Il nous raconte comment la diaconie sociale peut réagir face à des crises comme celles du coronavirus ou de la guerre en Ukraine. Pour lui, il est important que la diaconie adapte son action. Par Adrian Hauser Quelle importance a la diaconie en temps de crises extérieures, comme la guerre en Ukraine ou la pandémie de coronavirus? La diaconie est au service des gens en ce qui concerne leurs besoins corporels, psychiques, sociaux, culturels et spirituels. La diaconie sociale est particulièrement recherchée partout où les crises actuelles créent des souffrances de cet ordre. Durant la pandémie, on peut citer par exemple le soutien aux personnes vulnérables pour effectuer leurs achats, ou les offres novatrices de rencontres et de possibilités de partage, qui avaient disparu. A l’époque, et aujourd’hui avec la guerre en Ukraine, de nombreuses craintes et incertitudes ont surgi. La foi chrétienne et l’Evangile sont alors des ressources porteuses d’espoir et structurantes. Jusqu’à quel point la diaconie peut ou devrait être politisée, lors de ce genre de périodes où les gens se posent aussi des questions sur la politique? La diaconie peut créer des espaces au sein desquels on peut poser des questions et discuter. L’Eglise peut être un lieu d’échanges, où les avis controversés ont leur place et où l’on exerce la diversité des points de vue avec soin. La diaconie peut tout à fait avoir aussi une dimension prophétique et politique et s’exprimer en faveur des personnes en difficulté. Qu’est ce qui pourrait servir de boussole à la diaconie dans les questionnements politiques? Il est souvent difficile de voir, dans les questions politiques concrètes, quelles positions sont les plus proches de l’éthique chrétienne. Généralement, il y a deux notions qui nous guident: qu’est-ce qui correspond à l’amour, et qu’est-ce qui correspond à Jésus Christ? Le respect de l’égalité, des particularités et de la dignité de tous les êtres humains en fait partie. Toutes et tous doivent pouvoir prendre part à la communauté et à la société, c’est un des buts. A quelles questions la diaconie a-t-elle été confrontée, au temps de la pandémie? D’abord s’est posée la question de savoir dans quelle mesure les employés et les responsables du domaine de la diaconie étaient aptes à agir en personne, car la pandémie nous a tous touchés, mais pas de la même manière. Ensuite est venue la question concrète des besoins sur place, quels réseaux et quelles organisations sont intervenus, et quel rôle la diaconie pouvait avoir là-­ dedans. Là où il y avait déjà un bon réseau au sein de la société civile et un bénévolat bien encadré, on a pu mieux réagir. Une des formes principales de l’action de diaconie, à savoir le travail de groupes, a disparu. L’accompagnement individuel, dans sa pratique habituelle, n’était plus possible. Une autre question était de savoir dans quelle mesure la diaconie était dynamique et créative pour trouver de nouvelles formes de soutien. Etait-on habitué à penser et agir pour le bien commun? Comment les personnes actives dans la diaconie ont pu apporter leur aide durant cette période? Pouvez-vous nous donner un exemple? Durant le confinement, la diaconesse de Birr-Lupfig a constaté que la distribution alimentaire de «Cartons du Cœur» et «Tischlein deck dich» était suspendue à cause des mesures contre le coronavirus. Mais il fut vite clair aussi que ce besoin perdurait et que la disparition de cette distribution alimentaire jetterait certaines personnes dans la détresse. La diaconesse a pu rapidement faire aménager l’espace d’une église avec des grandes portes en verre tournées vers l’extérieur, de telle manière qu’il soit bien aéré et que les gens puissent accéder eux-mêmes à leur nourriture. La paroisse a pu ainsi combler le manque, jusqu’à ce que les deux autres organisations puissent reprendre leur travail. Vous avez dit qu’en temps de crise, il est important d’adapter son action. Que voulez-vous dire exactement? Avec notre exemple, il a été possible de prendre des décisions rapidement. On n’a pas dû attendre la prochaine séance du conseil paroissial. Les voies décisionnelles ont été plus courtes et plus flexibles. Dans le même temps, on n’a pas agi dans la précipitation. Adapter son action, cela veut aussi dire prendre conscience avec soin des situations et des besoins. Des réseaux existants menant à d’autres organisations ont été utilisés. Et la liberté intérieure nécessaire pour s’adapter à une nouvelle situation était là. Comment la diaconie peut-elle devenir plus souple ou le rester? Il me paraît important d’avoir une image claire de notre mission: qu’entendons-nous par diaconie sociale, comment comprenons-nous nos tâches, sur le fond? Au niveau personnel, l’habitus per-

8 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /68 sonnel est central: quelle est mon attitude fondamentale ou mon modèle de base dans la réflexion et dans l’action? Est-ce que je pense habituellement aux pauvres, aux exclus et aux faibles? Est-ce que je ressens de la compassion, de l’impuissance et de l’indignation avec eux? Est-ce que j’agis dans le but d’améliorer leur situation? Le fait d’avoir une mission claire et un habitus clair permet d’adapter son action! Il faut aussi bien sûr des décisions rapides, des collaboratrices et collaborateurs ouverts et créatifs dans leurs méthodes. Un bon réseau au sein des services spécialisés et des organisations actives dans le social ainsi qu’un bon bénévolat, prêts en cas de besoin soudain, sont également très utiles. Vous avez proposé à la Haute école un enseignement sur ce thème. Qu’avez-vous voulu transmettre à vos étudiantes et étudiants en priorité? Des thèmes comme ceux que j’ai cités, et nous les avons aussi fait réfléchir à leurs propres réactions dans leur formation durant le confinement, afin de se préparer à de futures crises. Quel a été le retour des étudiantes et étudiants sur cet enseignement? Il a été reçu comme très utile et les étudiantes et les étudiants ont apprécié d’avoir pu réagir à cette situation actuelle, et que nous ayons fait de la place pour cela dans le plan d’étude. J’aimerais encore en venir à la crise actuelle: une menace de pénurie d’électricité et une guerre que beaucoup ne comprennent pas. Comment la diaconie peut-elle réagir? Etre proche des gens et comprendre avec eux où de nouveaux besoins se font jour. Cela demande une analyse de la situation, si possible une analyse du milieu social, ainsi que de la participation. On doit bien clarifier quels autres acteurs proposent déjà une aide. On doit ensuite pouvoir reconnaître là où il y a des lacunes et où la diaconie pourrait agir. Par exemple, il y a déjà eu une rencontre diaconale en Argovie, lors de laquelle plusieurs services ont discuté des besoins probables lors d’une hausse des prix de l’énergie, et quelles organisations pouvaient apporter de l’aide et sous quelle forme. Vous serez bientôt présent à une rencontre de Refbejuso sur ce sujet et ferez un exposé sur tous ces thèmes. Pouvez-vous déjà dévoiler de quoi vous allez parler? De beaucoup de choses dont je viens de parler lors de cet entretien. Je vais aussi présenter un modèle d’action de base pratique, grâce auquel les participants discuteront des façons souhaitées de formuler leur habitus et pourront modérer l’échange. Quels sont les défis actuels qu’ils identifient, et quelles possibilités d’agir pourrait-on définir? Christoph Schwarz © Phil Wenger Photography

9 ENSEMBLE 2022 /68 —– Doss i er F UNE ÉGLISE AGILE EN TEMPS DE CRISE Un sondage réalisé par Diaconie Suisse montre que l’Eglise a été capable de s’adapter en un rien de temps aumoment de la crise du Covid, notamment en créant de toutes pièces des offres spécifiques pour ses différents groupes cibles. Par Adrian Hauser En sa qualité de faîtière, Diaconie Suisse a réalisé un sondage sur la diaconie en temps de crise. Ce sondage a permis de dresser un inventaire des prestations qui ont presque immédiatement pu être offertes pour répondre aux besoins de la société. Le catalogue de propositions montre clairement que la diaconie sociale a réussi à rester «agile», selon le terme employé par Christoph Schwarz dans son interview, et à activement trouver ses marques dans une situation sans précédent. Le document, disponible en ligne, se lit presque comme un livre de recettes et contient un nombre impressionnant d’idées qui ont démontré leur pertinence. Maintenir un lien avec les seniors Les Eglises réformées Berne-Jura-Soleure ont très rapidement mis sur pied un service d’aide aux commissions, en créant aussi un site en ligne pour mettre en contact les personnes qui avaient besoin d’une livraison à domicile et celles qui étaient prêtes à livrer. Des repas ont été passés à travers les grilles des jardins, parfois accompagnés d’un entretien pastoral ou d’un échange informel. Ces mesures répondaient à deux besoins de bases – nourriture et contacts –, durant une période où il était devenu compliqué, et même parfois impossible, de les satisfaire. Selon le sondage, les contacts ont fait l’objet d’une attention particulière et différentes offres ont permis d’entretenir des liens sociaux malgré les mesures d’isolement: envoi de lettres, de cartes, parfois avec un texte de prédication, distribution de dessins (moyen simple pour ne pas laisser de côté les personnes atteintes de démence), coups de téléphone pour maintenir le lien. Et rester en ligne avec les jeunes Si les offres n’ont pas manqué pour la population d’un certain âge, les jeunes et les familles n’ont pas été oubliés par les paroisses. Pour les familles: distribution de jouets, création d’un fonds de soutien pour répondre aux cas de difficulté financière, moyens de garde à disposition des parents en emploi, distribution de nourriture sous forme de bons d’achat ou de livraison. Et pour les jeunes: aide aux devoirs par WhatsApp, discussions en ligne, jeux de groupe sur Zoom. Des murs du don ont également vu le jour: le concept consiste à placer des denrées alimentaires non périssables ou des vêtements dans des sacs bien fermés, puis à les suspendre à des grilles d’où il suffit de les décrocher sans le moindre contact direct si l’on en a besoin. Le sondage de Diaconie Suisse démontre que l’Eglise sait réagir en cas de crise. Et qu’elle le fait de manière inventive et adaptative. Malgré la distanciation sociale, on a créé des possibilités indirectes de contact et d’aide. Trotz direktem Kontaktverbot wurden indirekte Möglichkeiten für Kontakte und Hilfeleistungen geschaffen. © Keystone / Christian Beutler

10 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /68 Interview mit Susanne Kocher, Psychologin FSP, Psychotherapeutin FPI, Integrative Paartherapeutin GIPP, Beraterin bei der Beratungsstelle für Ehe, Partnerschaft und Familie in Langnau und Psychotherapeutin in Bern. Von Gabriella Weber* In welchen Bereichen haben Sie als Beraterin der Beratungsstelle für Ehe, Partnerschaft und Familie in Langnau Auswirkungen der Krisen wahrgenommen? Der Krieg in der Ukraine und Fragen um die Zukunft in Europa sind bisher kaum Thema gewesen. Sie wirken eher als verunsichernde und belastende Faktoren im Hintergrund. Die Folgen der Pandemie sind jedoch bis heute spürbar und haben viele Klientinnen und Klienten sehr belastet: Einige erlebten massive Konflikte im Zusammenhang mit der Impf- und Schutzfrage – sei es, persönlich einen stimmigen Umgang zu finden, oder auch als Konflikte in der Partnerschaft, im Familien- und Freundeskreis, wo es vermehrt zu Streit und teilweise sogar zu Kontaktabbrüchen gekommen ist. Die Zeit des Lockdowns hat ganz Unterschiedliches bewirkt: Viele Alleinstehende, Alleinerziehende und alte Menschen haben sehr unter der Isolation gelitten, und für einige Familien war die Zeit der Schulschliessung plus Heimarbeit sehr belastend. Nicht wenigen Paaren und Familien hat diese Zeit der grösseren Nähe auch richtig gutgetan, sie genossen das Zusammensein, die häufigeren Gespräche, einige begannen z. B. wieder miteinander zu spielen. Was bewirken äussere Umbrüche und Veränderungen bei den Menschen? Was für Auswirkungen hat dies auf die Beziehungen in Partnerschaften und Familien? Darauf kann ich nur allgemein antworten, denn wie ein bestimmtes Ereignis auf einen Menschen oder ein soziales System wirkt, ist sehr unterschiedlich. Bei Menschen, die sowieso schon mit Ängsten zu kämpfen haben, wirken Veränderungen und Umbrüche viel bedrohlicher und lösen wiederum neue Ängste aus. Läuft jemand bereits «auf dem Zahnfleisch», dann kann auch ein eher alltägliches Ereignis zum Zusammenbruch führen, während ein stabiles System oder ein Mensch mit Reserven und Unterstützung Umbrüche gut und ohne Schaden verarbeiten kann. Veränderungen sind nie nur negativ und müssen nicht zwangsläufig zu einer Krise führen. Sie sind vielmehr notwendig für persönliches Wachstum. Mit was für Situationen sind Sie in Ihrem Beratungsalltag konfrontiert? Haben sich die Beratungsthemen oder die Art der Konflikte in den letzten Jahren verändert? Die «beziehungstypischen» Problembereiche wie das Ausbalancieren von Nähe und Distanz, der Umgang mit verschiedenen Bedürfnissen, der Aufbau einer «Herzenssprache» und einer guten Konfliktkultur, das Stärken der Selbstwahrnehmung und der Empathie usw. sind dieselben geblieben. Was sich in meinen Augen zunehmend als Herausforderung entpuppt, sind die sogenannten sozialen Medien. Kaum ein Paar hat keine Konflikte bezüglich Umgang mit Handy oder Computer: Im Allgemeinen wird der Suchtcharakter dieser Medien unterschätzt, der Konsum überbordet – immer auf Kosten der Paar- und Familienzeit –, und P A A R B E Z I E H U N G E N , F A M I L I E N , K R I S E N Folgen heutiger Krisen Susanne Kocher © zVg

1 1 ENSEMBLE 2022 /68 —– Doss i er oft wird das Handy sogar zur gegenseitigen Kontrolle eingesetzt. Auch in der Erziehung bedeutet dieses Thema ein grosses Konfliktpotenzial sowohl zwischen den Eltern wie auch zwischen Eltern und Kindern. Es kommt zum Kampf ums Ausschalten, Fragen zur Nutzung der Geräte führen sehr oft zum Streit. Weiter habe ich den Eindruck, dass ganz allgemein der gesellschaftliche Leistungsdruck zugenommen hat, der die Menschen erschöpft und die Liebesbeziehungen erschwert. Die Frauen und Männer erleben diesen Druck nicht nur in der Arbeitswelt, sondern in allen Lebensbereichen. Und oft haben sie auch sehr hohe Ansprüche an sich selber: Elternschaft plus häufige Fort- und Ausbildungen plus hochprozentige Arbeitsstellen plus (leistungsbezogene) Freizeitaktivitäten, und alles gleichzeitig. Diesem Druck sind auch die Kinder immer mehr ausgesetzt, gutgemeinte Förderung wird zu Stress. Die Angebote von Psychologen und Psychiatrie sind überlastet, vor allem jene für Jugendliche. Hat dies Konsequenzen für Ihre Beratungsstelle? Nein, nicht direkt, da es für Jugendliche passendere Anlaufstellen gibt. Wir arbeiten eher mit den Eltern, deren Kinder es schwer haben. Wichtig scheint mir aber die Grundsatzfrage: Was ist los mit unserer Gesellschaft, dass Kinder und Jugendliche vermehrt Therapie brauchen? Was läuft falsch? Und da hat Corona wie eine Lupe gewirkt, hat deutlich gemacht, wo die Schwachstellen in verschiedenen Systemen sind, was wichtig ist und was Menschen brauchen. Offensichtlich hat es viel weitreichendere Folgen als viele Fachleute angenommen haben, wenn soziale Kontakte erschwert und «reale» Beziehungen verunmöglicht werden. Wie können Spannungen in Beziehungen auf konstruktive Weise angegangen werden? Da möchte ich zuerst eine allgemeine Bemerkung vorausschicken: Spannungen in Beziehungen können und sollen nicht vermieden werden; es ist kein schlechtes Zeichen, wenn Spannungen auftreten, sondern ein Hinweis, dass etwas nicht (mehr) stimmig ist. Dann sind wir aufgefordert, näher hinzuschauen und dies zu thematisieren. Und nur so ist Wachstum möglich, Wachstum geschieht immer über Krisen. Spannungen äussern sich ja meistens in einem unangenehmen Gefühl – daher gehört zu einem sinnvollen Umgang, sich dieses einzugestehen und es dann anzusprechen. Wichtig ist herauszufinden, was hinter dem eigentlichen Auslöser steckt: Enttäuschung, unausgesprochene Ängste oder Erwartungen? Dieser vertiefte Dialog führt zum Verständnis der eigenen Gefühle und des eigenen Verhaltens, aber auch derjenigen der Partnerin oder des Partners. Der Austausch über die unangenehmen Gefühle, dieses gegenseitige Verstehen-Wollen, bildet die Basis für eine konstruktive Auseinandersetzung. Was empfehlen Sie den Menschen, um sich und ihrem Umfeld – auch für kommende Krisen – Sorge zu tragen? Einiges ergibt sich bereits aus den vorherigen Antworten. Wir wissen, dass Bedrohung entweder Flucht (ausweichen, ablenken), Kampf (aktiv werden, sich wehren) oder Erstarrung (Ohnmacht) auslösen kann und dass Menschen auf gleiche Situationen unterschiedlich reagieren. Ohnmacht und Erstarrung sind für Menschen sehr unangenehm und auf die Dauer auch schädlich. Kommen dann noch Angst und soziale Isolation dazu, sind sie sogar richtiggehend krankmachend. Sich Sorge zu tragen könnte also heissen, die eigenen Ressourcen zu kennen und zu stärken, lernen, sich am Kleinen zu freuen, dankbar zu sein. Sich Gutes tun, nicht nur für körperliche, sondern auch für seelische und geistige Nahrung sorgen, sich vernetzen – d. h., Beziehungen leben und pflegen, sich und andere lieben. Alles, was aus der Angst und der Ohnmacht hinausführt, auch wenn es nur für Momente ist, wirkt stärkend. So kann die Zuversicht wachsen, dass auch nächste Krisen zu bewältigen sind. * Beauftragte Ehe, Partnerschaft, Familie Die kirchlichen Beratungsstellen «Ehe – Partnerschaft – Familie» (EPF) an neun verschiedenen Standorten unterstützen Einzelpersonen, Paare und Familien bei Beziehungs- und Familienproblemen. www.berner-eheberatung.ch

12 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /68 RELATIONS CONJUGALES ET FAMILIALES FACE AUX CRISES CONTEMPORAINES Interview de Susanne Kocher, psychologue FSP et psychothérapeute FPI, spécialisée en thérapie de couple intégrative GIPP, conseillère conjugale auprès de l’office de consultation conjugale et familiale de Langnau et psychothérapeute à Berne. Par Gabriella Weber* Dans votre activité de conseillère à Langnau, quels sont les domaines touchés par les crises actuelles? Jusqu’à maintenant, la guerre en Ukraine et les questions sur l’avenir en Europe n’ont presque pas surgi et constituent plutôt des facteurs d’insécurité et d’accablement d’arrière-plan. Par contre, les conséquences de la pandémie restent perceptibles et ont largement touché notre clientèle: la vaccination a provoqué d’énormes conflits, que ce soit au niveau personnel pour trouver une cohérence interne, ou au sein du couple, du cercle familial ou amical qui ont vu les querelles se multiplier et parfois même dégénérer jusqu’à la rupture. Le confinement a eu des effets très variables: beauF coup de personnes seules, de parents seuls et de personnes âgées ont profondément souffert de l’isolement, et certaines familles ont largement pâti de la fermeture des écoles doublée du travail à domicile; à l’inverse, bon nombre de couples et de familles ont profité de cette période de plus grande proximité pour passer du temps ensemble, parler davantage, ou se remettre aux jeux de société, par exemple. Que provoquent les chamboulements externes chez l’être humain? Quelles sont les conséquences sur les relations conjugales et familiales? Je ne peux apporter qu’une réponse générale, car les effets d’un événement spécifique sur une personne ou sur un système social sont très variables. Si la personne est déjà en proie à des angoisses, le changement constituera une menace encore plus inquiétante et une source de nouvelles craintes. Quelqu’un qui a déjà atteint ses limites peut s’effondrer à cause d’un événement plutôt banal, alors qu’un système stable ou une personne qui a des réserves et du soutien assimilera sans difficulté un bouleversement. Les changements n’ont pas que du négatif et ne débouchent pas forcément sur une crise, et ils sont même nécessaires à la croissance personnelle. Pour certaines familles, la proximité engendrée par le Covid a été bénéfique. Es gab Familien, denen die neue Nähe während der Coronazeit gutgetan hat. © Pixabay

13 ENSEMBLE 2022 /68 —– Doss i er Dans le canton de Berne, neuf offices ecclésiaux de consultation conjugale et familiale apportent un soutien aux personnes seules, aux couples et aux familles qui traversent des problèmes relationnels et familiaux. www.berner-eheberatung.ch Pour quel type de situations vient-on vous consulter? Les motifs de conflit ont-ils évolué ces dernières années? Les domaines problématiques relationnels classiques sont restés les mêmes – équilibre entre rapprochement et éloignement, besoins différents, «langage du cœur» et saine culture du conflit, conscience de soi et empathie, etc. De ce que j’observe, le nouveau défi, ce sont les fameux réseaux sociaux. Presque aucun couple n’est épargné par les conflits liés aux écrans: de manière générale, les gens sous-évaluent le caractère addictif des réseaux, en font une consommation abusive – toujours au détriment du temps en couple ou en famille – et certains utilisent même leur téléphone pour se surveiller mutuellement. Dans l’éducation aussi, il existe un risque élevé de conflits, aussi bien entre parents qu’entre parents et enfants. Les discussions sur l’extinction des écrans et sur l’utilisation des outils dégénèrent très souvent. Par ailleurs, j’ai l’impression que la pression sociale à la performance a augmenté, ce qui nous épuise et complique nos relations amoureuses. Cette pression est ressentie dans le monde du travail, mais également dans tous les autres domaines de l’existence. Sans compter les exigences très élevées que l’on s’impose à soi-même: il faut en même temps être parent, se former tout au long de sa vie, travailler à un pourcentage élevé (et performer), avoir des activités de loisir… Les enfants aussi sont de plus en plus exposés à une telle pression; derrière les stimulations bien intentionnées se cachent des sources de stress. Les psychologues et les psychiatres n’arrivent pas à suivre la demande, en particulier celle des jeunes. Cela a-t-il des répercussions pour votre office de consultation? Non, pas directement, car il existe des espaces d’écoute spécifiques pour les jeunes. Nous travaillons plutôt avec les parents dont les enfants traversent des difficultés. Mais la question m’interpelle surtout à un autre niveau: que se passe-t-il dans notre société pour que les enfants et les adolescentes et adolescents aient de plus en plus besoin de thérapie? Qu’est-ce qui ne tourne pas rond? En la matière, le Covid a eu un effet loupe et a clairement montré quels sont les maillons faibles des différents systèmes, où est l’essentiel et ce dont les gens ont besoin. Visiblement, lorsque les contacts sociaux sont entravés et que les relations «en vrai» deviennent impossibles, les conséquences sont nettement plus importantes que ne l’avaient imaginé de nombreux spécialistes. Comment appréhender de manière constructive les tensions relationnelles? Sur ce point, j’aimerais commencer par une remarque d’ordre général: il n’est ni possible ni nécessaire d’éviter les tensions relationnelles; leur apparition n’est pas un mauvais signe, elle indique simplement un dysfonctionnement, ce qui nous pousse à y prêter attention et à nous en préoccuper. C’est le seul moyen de grandir. Seules les crises nous font grandir. Certes, le plus souvent, les tensions s’accompagnent d’un sentiment d’inconfort, et il est donc utile de se les avouer puis d’en faire quelque chose. Il est important de déceler le véritable déclencheur: déception, craintes, attentes inexprimées? Un dialogue en profondeur permet de comprendre ses émotions et son attitude, mais aussi celles de son ou de sa partenaire. Parler ensemble des émotions désagréables, vouloir se comprendre mutuellement, c’est la base d’un cheminement constructif. Avez-vous des recommandations pour prendre soin de soi et de son environnement, également en perspective de nouvelles crises? Ce qui précède donne déjà quelques pistes. Nous savons que la menace peut déclencher la fuite, la lutte ou la pétrification et que les gens réagissent différemment à une même situation. La troisième réaction est particulièrement inconfortable et nuisible sur la durée. Si la peur et l’isolement social s’y ajoutent, on risque même de tomber véritablement malade. On pourrait donc dire que prendre soin de soi, c’est connaître ses propres ressources et les renforcer, apprendre à se réjouir des petites choses, à être reconnaissant, se faire du bien, veiller à sa nourriture non seulement physique, mais aussi intellectuelle et spirituelle, se relier aux autres et entretenir ses relations, s’aimer soi-même et aimer les autres. Finalement, tout ce qui nous sort de la crainte et de l’impuissance, même temporairement, nous rend plus forts. Et de cette façon, la confiance en la possibilité de surmonter les prochaines crises grandit. * Collaboratrice Couple, partenariat, famille

14 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /68 Die Sozialberatungsstelle der Kirchgemeinde Biel ist Anlaufstelle für die breite Bevölkerung und berät Menschen in verschiedenen Problemsituationen. Der Fachbereichsleiter Pascal Lerch und die Sozialarbeiterin Christine Seelhofer berichten über ihre Arbeit. Eine gute Vernetzung mit anderen Fachstellen erachten sie als wichtig. Von Miriam Deuble* Vor elf Jahren hat die Reformierte Kirchgemeinde Biel den Aufbau einer Sozialberatungsstelle entschieden. Die Sozialberatung ist mittlerweile Teil des Fachbereichs Solidarische Kirche, zusammen mit der Diakonie. Nebst zwei Pfarrpersonen arbeiten zwei Personen in der Diakonie (insgesamt 120 %) und drei Personen in der Sozialberatung für diesen Fachbereich (insgesamt 185 %, inklusive 50 % Praktikumsstelle für Studierende Soziale Arbeit). Die Sozialberatungsstelle verfügt über einen stabilen Kundenstamm von gut 500 Personen. Im Schnitt kommen monatlich ca. 10 «neue» Beratungen dazu, Menschen, die in irgendeiner Form Hilfe benötigen. Meist kann die Situation in 1–3 Beratungen stabilisiert werden. Einzelne Personen und Familiensysteme werden jedoch über Jahre begleitet. Aktuell werden fünf Beistandschaften geführt und durch die Fachstelle PriMa der Stadt Biel begleitet. Das Dienstleistungsangebot der Sozialberatung richtet sich individuell nach den Anliegen der ratsuchenden Menschen. Die häufigsten Angebote sind folgende: − Budgetberatungen − Hilfe bei Anmeldungen von IV, EL, Prämienverbilligung, Betreuungsgutscheinen − Finanzierungsgesuche bei Fonds und Stiftungen − Psychosoziale Beratung − Unterstützung bei Anmeldung bei Ämtern, Hilfestellung bei Klärung von Schwierigkeiten mit Ämtern − Vernetzung mit anderen Institutionen der Region − Beistandschaften − Steuererklärung HELP Wir haben Pascal Lerch, Fachbereichsleiter Solidarische Kirche, und die Sozialarbeiterin Christine Seelhofer nach ihren Erfahrungen befragt. K I R C H G E M E I N D E B I E L «Vernetzungsarbeit ist zentral» Mit welchen konkreten Situationen seid ihr in eurem Berufsalltag konfrontiert und was beschäftigt euch dabei am meisten? Pascal Lerch: Die Sozialberatung ist eine Anlaufstelle für die breite Bevölkerung bei Fragen zum persönlichen Alltag, zu Partnerschaft und Kindern, zu Arbeit und Geld oder zum Umgang mit Behörden, Institutionen und Sozialversicherungen. Christine Seelhofer: Die Themen Armut und Leben am Existenzminimum sind bei uns zentral. Entsprechend dreht sich vieles in den Beratungen um finanzielle Schwierigkeiten. Welches Angebot ist eure «Spezialität» in Biel? C.S.: Unser Beratungsangebot unterscheidet sich nicht von anderen kirchlichen Sozialberatungsstellen in Biel (z. B. kath. Kirche, Heilsarmee). Als Spezialität kann jedoch unser Angebot Steuererklärung HELP erwähnt werden. P.L.: Mittlerweile sind es über 200 Steuererklärungen pro Jahr und die Personen sind dankbar, bei einem Tee oder Kaffee Hilfe in diesem Bereich zu bekommen. Zusammen mit einem grossartigen Freiwilligenteam leisten wir seit Jahren Unterstützung beim Ausfüllen der Steuererklärungen für Personen mit niedrigem Einkommen. Dieses Angebot ist grundsätzlich kostenpflichtig. Es gibt jedoch immer wieder Situationen, wo wir auf einen Kostenbeitrag verzichten. Mit welchen Kirchen oder weiteren Institutionen arbeitet ihr in Biel zusammen? P.L.: Die Reformierte Kirchgemeinde ist seit vielen Jahren im Vorstand des Dachverbandes sozialer Institutionen Biel Region (DSI) vertreten, wo über 50 Institutionen Mitglied sind. Wir pflegen dadurch einen engen Austausch mit den verschiedenen Führungspersonen der verschiedenen Einrichtungen (Näheres unter www.dsi-ois.ch). Der Aktualitätenmarkt ist ebenfalls ein Vernetzungsgefäss, in dem sich vorwiegend Mitarbeitende der verschiedenen Einrichtungen ca. dreimal pro Jahr zum Austausch treffen. Wir nehmen regelmässig teil und können so unsere Anliegen einbringen. C.S.: Wir sind gut mit anderen Fachstellen in Biel und der näheren Umgebung vernetzt. Eine enge Zusammenarbeit findet insbesondere mit der SOKI statt (kirchlich getragene soziale Institutionen Biel), zu der z. B. die Beratungsstellen der Heilsarmee und der katholischen Kirchgemeinde gehören. Weitere wichtige Partnerorganisationen sind Sozialdienste, FRAC, EKS, Pro Infirmis, die

15 ENSEMBLE 2022 /68 —– Doss i er Berner Gesundheit, die Schuldenberatung und andere. P.L.: Mit der Kirchgemeinde Nidau haben wir für den Bereich Sozialberatung seit einigen Jahren einen Leistungsvertrag. Die Zusammenarbeit hat sich sehr bewährt. Da wir regelmässig auch Hilfesuchende aus dem Seeland haben, wäre es wünschenswert, ebenfalls mit anderen Kirchgemeinden einen Leistungsvertrag abschliessen zu können. Der Bereich Passantenhilfe wird durch die Heilsarmee abgedeckt. Wir sind dort ebenfalls im Vorstand aktiv und tragen das Angebot finanziell mit. Als wie wichtig beurteilen Sie die Vernetzungsarbeit? C.S.: Die Vernetzungsarbeit ist in unserer Beratung sehr zentral. Es geht darum, die geeignetste Stelle für die konkrete Anfrage zu finden. Auch zur Ergänzung von primär zuständigen Stellen ist die Vernetzung von grosser Wichtigkeit. Vernetzungsarbeit bedeutet jedoch auch aktive Kontaktaufnahme, muss gepflegt werden und braucht entsprechend zeitliche Ressourcen. Spürt ihr bereits die Auswirkungen der sich anbahnenden Krisen? C.S.: Bisher spüren wir noch nicht viel davon. Zwar haben uns bereits Personen mit hohen Nebenkostenabrechnungen kontaktiert. Dies kommt jedoch auch in anderen Jahren sporadisch vor, und wir bringen dies bisher noch nicht mit den hohen Öl-, Gas- und Strompreisen in Verbindung. P.L.: Wir empfehlen in diesen Situationen jeweils, die monatlichen Akonto-Zahlungen für die Nebenkosten zu erhöhen, damit die Abschlussrechnung niedriger ausfällt. Was bereitet euch im Hinblick auf den kommenden Winter Sorgen? Ist es möglich, diesbezüglich vorsorglich Massnahmen für die kommenden Monate zu treffen? C.S.: Für Menschen, die bereits bisher in prekären Verhältnissen gelebt haben, werden die steigenden Preise vor allem bei Strom und Lebensmitteln die Situation wahrscheinlich noch verschärfen. Vorsorglich kann nicht viel unternommen werden, ausser die Leute zu ermutigen, sich Hilfe zu holen, bevor es zu Verschuldungen und Betreibungen kommt. Wie schafft ihr es, besonders vulnerable Personen und von Armut betroffene Menschen zu erreichen, zu unterstützen und zu begleiten? C.S.: Viele der Klienten melden sich aufgrund von Mundpropaganda oder auf Empfehlung bei uns. Die gute Vernetzung unserer Beratungsstelle innerhalb von Biel trägt ausserdem dazu bei, dass unser Angebot genutzt werden kann, wo andere Stellen aufgrund der Zuständigkeit z. B. von Gesetzes wegen nicht unterstützen können. Da ist es wichtig, dass wir bekannt sind. Damit unser Angebot bekannt ist und in Anspruch genommen werden kann, beteiligen wir uns auch immer wieder aktiv an verschiedenen Anlässen. Was ist unverzichtbar für eure Arbeit, und woraus schöpfen Sie Kraft für die täglichen Herausforderungen? P.L.: Die reformierte Kirchgemeinde stellt für unsere Arbeit eine zeitgemässe Infrastruktur inkl. eines Fallführungsprogramms (SocialOffice) zur Verfügung – dies schafft gute Rahmenbedingungen für unsere tägliche Arbeit. Unsere Arbeit bedingt zudem viel persönliches Engagement, um nach Bedarf auch sehr unkonventionell Unterstützung anbieten zu können. Uns ist bewusst, dass unser Angebot vorwiegend durch Kirchgemeindesteuern möglich ist, und wir sind dankbar für alle, die aus Solidarität mithelfen und weiterhin Mitglied der reformierten Kirchgemeinde bleiben. * Stv. Bereichsleiterin Sozialdiakonie Die Sozialberatung der Kirchgemeinde Biel hilft in unterschiedlichen Fragen (Symbolbild). Le service de consultation sociale de la paroisse de Bienne apporte son aide sur diverses questions (image symbolique). © Pixabay

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