33 ENSEMBLE 2022 /68 —– Kreuz und quer Neben staatlichen Akteuren waren in den Gemeinden öfter auch kirchliche Vertreter in die Vermittlung von Fremdplatzierungen von Kindern und Jugendlichen als «Verdingkinder» involviert. Es ist deshalb wichtig, sich auch als Kirche der Verantwortung gegenüber Betroffenen zu stellen. Von Annemarie Bieri* In einem Kinderheim am Morgen: Die Waisenkinder werden unsanft geweckt. Dem Knaben Max wird befohlen, sich anzuziehen und zu packen. Er wird vom Dorfpfarrer abgeholt und als Verdingkind zu seiner künftigen «Familie» gebracht, die auf einem Kleinbauernhof in bescheidenen Verhältnissen lebt und das für Max entrichtete Kostgeld sowie seine Arbeitskraft dringend braucht. Statt Liebe und Anerkennung erfährt Max in seinem neuen Heim in der Folge Demütigung, Strafen und auch Gewalt. So die Einstiegsszene des 2011 entstandenen Schweizer Spielfilms «Der Verdingbub», der gemäss Regisseur Markus Imboden auf 100 000 wahren Geschichten beruht. Der Kanton Bern plant So oder ähnlich erging es zahlreichen Kindern und jungen Erwachsenen, die bis in die 1970er-Jahre von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen betroffen waren. Daran will das Berner «Zeichen der Erinnerung» (ZEDER) erinnern, das der Kanton Bern zur Umsetzung eines im Jahr 2016 erlassenen Bundesgesetzes mit gesellschaftlichen Partnerinnen und Partnern für die Zeit vom 25. Mai bis 8. Juni 2023 plant. Neben staatlichen Akteuren waren in den Gemeinden auch kirchliche Vertreter in die Vermittlung von Fremdplatzierungen von Kindern und Jugendlichen als «Verdingkinder» involviert. Mit Lehrern und Ärzten waren sie häufig Mitglieder in den zuständigen Armenbehörden oder wurden befragt, um z. B. Wert und Eignung eines Pflegeplatzes einzuschätzen. Die Kirche arbeitet mit Es ist deshalb wichtig, sich auch als Kirche der Verantwortung gegenüber Betroffenen zu stellen. Schicksale sollen in geeigneter Form erinnert, erfahrenes Leid ausgesprochen und Unrecht als Wahrheit anerkannt werden. Im persönlichen und seelsorgerlichen Gespräch wird ansatzweise verstehbar, was geschehen ist und welche AuswirF R E M D P L A T Z I E R U N G «Zeichen der Erinnerung» setzen kungen dies für das Leben der Betroffenen hatte. Der Blick auf die Vergangenheit soll helfen, als Kirche aus Fehlern zu lernen. Als Ebenbild Gottes ist jedem Menschen eine unverlierbare Würde verliehen. Es ist wichtig, sich dies als Kirche zu vergegenwärtigen und Leid und Unrecht künftig zu verhindern. Der Synodalrat lädt ein Der Synodalrat möchte deshalb als Kirche zur Zeichensetzung und Erinnerung beitragen. Er lädt die Kirchgemeinden ein, in den Tagen rund um Pfingsten 2023 am «Zeichen der Erinnerung» (ZEDER) mitzuwirken. * Fachbeauftragte Erwachsenenbildung Mitwirkung als Kirchgemeinde Kanton und Kirche stellen Materialien bereit. − Plakatausstellung: Plakate zu verschiedenen Aspekten, mit Biografien/Erfahrungen für die Gestaltung einer Ausstellung. − Arbeitshilfen: Ideen für ein Rahmenprogramm als Kirchgemeinde; liturgische Entwürfe für Feiern. − KUW-Materialien: Für den Einsatz in der KUW (ab 13 Jahren), mit der Möglichkeit einer persönlichen Begegnung am «Erzählbistro», www.erzaehlbistro.ch. Informationen und Arbeitshilfen: www.refbejuso.ch/zeichendererinnerung Auskünfte Annemarie Bieri, Gemeindedienste und Bildung, Tel. 031 340 25 06, annemarie.bieri@refbejuso.ch Gegen das Vergessen. Contre l’oubli. © Keystone / Anthony Anex
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=