ENSEMBLE Nr. / N° 68 - Dezember / Décembre 2022

4 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /68 «SOZIALDIAKONIE KANN RÄUME SCHAFFEN» SOZIALDIAKONIE IN KRISENZEITEN «LA DIACONIE PEUT CRÉER DES ESPACES» LA DIACONIE EN TEMPS DE CRISE Der Theologe und Pfarrer Christoph Schwarz leitet das TDS in Aarau als Rektor. Er berichtet, wie Sozialdiakonie in Krisensituationen wie beispielsweise Corona oder dem Ukrainekrieg reagieren kann. Wichtig für ihn ist, dass Sozialdiakonie agil handelt. Von Adrian Hauser Herr Schwarz, welche Bedeutung hat die Sozialdiakonie in Zeiten von Krisen, die von aussen kommen, wie beispielsweise der Ukrainekrieg oder die Coronakrise? Die Sozialdiakonie dient Menschen in Bezug auf ihre körperlichen, psychischen, sozialen, kulturellen und spirituellen Bedürfnisse. Wo immer aktuelle Krisen in diesen Bereichen Nöte entstehen lassen, ist die Sozialdiakonie besonders gefragt. In der Coronazeit waren dies beispielsweise konkrete Hilfestellungen beim Einkaufen für vulnerable Personen oder kreative Beziehungsangebote und Möglichkeiten zur Gemeinschaft, wo diese weggefallen war. Damals und aktuell mit dem Ukrainekrieg entstanden auch viele Ängste und Unsicherheiten. Da ist der christliche Glaube – das Evangelium – eine hoffnungsstiftende und Halt gebende Ressource. Wie politisch darf oder soll Sozialdiakonie in solchen Zeiten sein, in denen sich Leute auch Fragen zur Politik stellen? Sozialdiakonie kann Räume schaffen, wo Fragen gestellt und diskutiert werden können. Die Kirche kann ein Ort des Austauschs sein, wo kontroverse Meinungen Platz haben und ein sorgfältiger Umgang mit unterschiedlichen Positionen eingeübt wird. Sozialdiakonie darf durchaus auch eine prophetisch-politische Dimension haben und sich anwaltschaftlich für Notleidende zu Wort melden. Was könnte der Wegweiser der Sozialdiakonie in politischen Fragen sein? Häufig ist es in konkreten politischen Fragen nicht einfach zu sehen, welche Positionen am ehesten einer christlichen Ethik entsprechen. Grundsätzlich sind zwei Stichworte leitend: Was entspricht der Liebe und was entspricht Jesus Christus? Dazu gehört der Respekt vor der Gleichheit, Besonderheit und Würde aller Menschen. Ein Ziel ist die Teilhabe aller Menschen an Gemeinschaft und Gesellschaft. Mit welchen Fragen wurde die Sozialdiakonie in der Zeit von Corona konfrontiert? Zunächst war die Frage, inwiefern Angestellte und Verantwortliche in der Sozialdiakonie persönlich handlungsfähig waren, weil das Thema alle betraf und unterschiedlich herausforderte. Dann kam die konkrete Frage, welche Bedürfnisse vor Ort entstanden, welche Netzwerke und Organisationen darauf reagierten und welche Rolle die Sozialdiakonie darin haben kann. Wo schon eine gute Vernetzung in die Zivilgesellschaft und eine gut betreute Freiwilligenarbeit bestanden, konnte besser reagiert werden. Eine der Hauptformen des Handelns, nämlich Gruppen, fiel weg. Einzelbetreuungen waren nicht im herkömmlichen Sinne möglich. Eine Frage war auch, inwiefern die Sozialdiakonie beweglich und kreativ war, neue Formen der Unterstützung zu finden. War man sich gewohnt, gemeinwesenbezogen zu denken und zu handeln? Wie konnten Mitarbeitende der Sozialdiakonie während dieser Zeit helfen? Können Sie ein Beispiel nennen? Während des Lockdowns stellte die Sozialdiakonin von Birr-Lupfig bei einer kurzen Analyse der Situation fest, dass die Nahrungsmittelverteilung von «Cartons du Cœur» und «Tischlein deck dich» aufgrund der Coronamassnahmen eingestellt wurden. Weiter war schnell klar, dass der Bedarf aber

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