ENSEMBLE Nr. / N° 69 - April / Avril 2023

4 Dossier —– ENSEMBLE 2023/69 WENN DAS GELD ZUM LEBEN NICHT REICHT ARMUT QUAND IL DEVIENT DIFFICILE DE JOINDRE LES DEUX BOUTS LA PAUVRETÉ Armut ist ein vielschichtiges, komplexes Thema. Sie entsteht aus unterschiedlichen Gründen und kann unterschiedlich gemessen werden. Grundsätzlich lebt in Armut, wer zu wenig Geld für die Sicherung von Grundbedürfnissen hat. Der beste Weg daraus ist eine solide Berufsbildung. Von Gabriella Weber und Adrian Hauser Die Bilder der Corona-Zeit, auf denen viele Leute an Essensausgaben warteten, sind noch präsent. Auch im Zusammenhang mit der Inflation und den steigenden Lebenshaltungskosten wird in den Medien vermehrt über die schwierige finanzielle Situation eines Teils der Bevölkerung gesprochen. Sogar der Mittelstand ist teilweise bereits davon betroffen. Dies zeigt, dass es immer mehr Menschen gibt, die an der Armutsgrenze leben und bei äusseren Veränderungen schnell in Schwierigkeiten geraten. In den letzten Jahren wurden verschiedene Anstrengungen unternommen und Studien erstellt, um die Problematik besser zu verstehen. Demnach handelt es sich um ein komplexes und vielschichtiges Problem. Man muss genau hinschauen, um das Ausmass der Armut zu verstehen – und um daraus wirksame Massnahmen zu deren Bekämpfung entwickeln zu können. Dafür sind grundsätzlich die Kantone zuständig. Wichtig ist vor allem der Aufbau eines Armutsmonitorings für die gesamte Schweiz und die einzelnen Kantone. Nur so kann man die Entwicklung der Armut besser beobachten und verstehen. Es braucht ein Instrument, das regelmässig das Ausmass und die Ursachen von Armut darlegt und die Wirkung der getroffenen Massnahmen überprüft. Auch Politik und Behörden auf nationaler Ebene haben den Bedarf erkannt: Das Parlament beauftragte den Bundesrat, ein regelmässiges Monitoring der Armutssituation in der Schweiz einzurichten. Dieses befindet sich unter der Federführung des Bundesamts für Sozialversicherung zurzeit in der Aufbauphase. Die Berner Fachhochschule entwickelte zudem in Zusammenarbeit mit der Caritas Schweiz ein Modell für ein Armutsmonitoring aufgrund von Steuerdaten und wendete dieses exemplarisch am Kanton Bern an.1 Was ist Armut? Die Definition von Armut ist grundsätzlich abhängig von gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Wertvorstellungen. Üblicherweise wird Armut damit verbunden, dass grundlegende Lebensbedürfnisse wie Wohnen und Nahrung nicht gedeckt sind. Möglichkeiten der Lebensgestaltung und der soziale Status hängen ebenfalls von der Verfügbarkeit von finanziellen Mitteln ab. Aus Sicht der Nationalen Plattform gegen Armut müssen auch der Lebensstandard der jeweiligen Gesellschaft sowie die Auswirkung von Armut auf andere Lebensbereiche berücksichtigt werden. Die absolute Armutsquote erfasst alle Personen in Haushalten mit einem Einkommen, das nicht ausreicht, um das Existenzminimum gemäss SKOS zu finanzieren. Dieses beläuft sich bei Einzelpersonen auf 2279 Franken pro Monat und bei Familien mit zwei Kindern auf 3963 Franken pro Monat (Schweizer Durchschnitt gemäss Bundesamt für Statistik, ohne Krankenversicherung). Neben dieser am Mindestbedarf ausgerichteten Quote orientiert sich die «Armutsgefährdung» am Medianein1 Fluder/Hümbelin/Luchsinger/Richard, Ein Armutsmonitoring für die Schweiz, Modellvorhaben am Beispiel des Kantons Bern, Bern 2020

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