ENSEMBLE Nr. / N° 70 - Juli / Juillet 2023

21 ENSEMBLE 2023/70 —– Fokus MIGRATION «Keine Diktatur währt ewig!» Zwei Angehörige des uigurischen Volkes, die in der Schweiz im Exil leben, berichten von ihren Erfahrungen mit der Repressionspolitik. Von Adrian Hauser Ende Mai fand im «Le Cap» der französischen Kirchgemeinde Bern eine Veranstaltung statt, an dem eindrücklich Uiguren Zeugnis von den Repressalien der chinesischen Behörden ablegten. Dies unter dem Titel «Uiguren erzählen – uigurische Volkserzählungen und politischer Kontext in Ostturkestan». Organisiert wurde der Abend gemeinsam von ACAT-Schweiz, der «Gesellschaft für bedrohte Völker» (GfbV), von «Justice for Uyghurs», der «Uyghur Academy Europe» und von den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Das Publikum erhielt einerseits einen Einblick in die uigurische Kultur, aber auch in den politischen Kontext, in dem diese Kultur steht. Denn seit der chinesischen Besetzung von 1949 wird das uigurische Volk von der chinesischen Regierung unterdrückt. Dies offensichtlich mit dem Ziel, die muslimische Minderheit auszurotten, in den Medien war gar schon die Rede von einem «kulturellen Genozid». Geburtenkontrolle «Durch Geburtenkontrolle und Sterilisation soll ein demografischer Wandel herbeigeführt werden», sagte Dr. Abduxukur Abdrixit an der Veranstaltung. Er und seine Frau Gulnar Mamtimin leben seit rund 20 Jahren in der Schweiz. Beide mussten die Unterdrückung am eigenen Leib erfahren. Und trotzdem wirken sie nicht anklagend oder verurteilend. «Wir haben ein Problem mit der Politik der kommunistischen Partei und nicht mit dem chinesischen Volk», stellte Abduxukur Abdrixit zu Beginn seines Beitrags klar. Er hat einen Doktortitel in Physik und wählte seine Worte mit Bedacht. Wohl auch dadurch vermochte er das Publikum in seinen Bann zu ziehen. So stellte er auch klar, dass er hier nicht im Auftrag von jemandem spreche, sondern rein privat. Gemäss offiziellen Angaben von China leben 11,3 Millionen türkischsprachige Uiguren in Zentralasien. Abduxukur Abdrixit hält aber Schätzungen von uigurischen Wissenschaftlern für realistischer, gemäss denen es mehr als 20 Millionen sind. Sie leben im Gebiet von Ostturkestan, westlich von China zwischen Kirgistan, Tibet und der Mongolei. Für China galten die Uiguren als «PanTürken», «Pan-Islamisten», «lokale Nationalisten», «Separatisten» und schliesslich «religiöse Extremisten». Die Terminologie verrät schon vieles und passt so gar nicht zu den zwei Zeitzeugen im Saal. 2014 heckte die chinesische Regierung einen Masterplan zur «endgültigen Lösung des Uigurenproblems» aus. Seither werden Angehörige des uigurischen Volkes willkürlich verhaftet und in sogenannte «Umerziehungslager» geschickt. «Gemäss Schätzungen werden heute drei bis fünf Millionen Menschen in solchen Lagern festgehalten», Christoph Wiedmer, Co-Geschäftsleiter Gesellschaft für bedrohte Völker. Christoph Wiedmer, co-directeur de la Société pour les peuples menacés. © Adrian Hauser

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