22 Fokus —– ENSEMBLE 2023/72 ASYLSYSTEM AM ANSCHLAG? JOINT FUTURE JAHRESTREFFEN durchschnittlich oft mit geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert. Es fehle an weiblichen Mitarbeitenden und die Infrastruktur in den Unterkünften sei unangemessen. Taghiyeva erzählt, dass sie sich zum Beispiel auf dem Weg zu den geschlechtergemischten Sanitäranlagen schutzlos gefühlt habe. Freiwilligenarbeit entlastet das System Die Freiwilligenarbeit in und um Asylzentren ist herausfordernd. Das System ist kompliziert, der Zugang zu Asylzentren eher hochschwellig, so Oliver Flechtner von der Plattform «Zivilgesellschaft in Asyl-Bundeszentren» (ZiaB). Er fordert eine Vereinheitlichung von Zugangsregelungen. Denn Freiwilligenarbeit schafft Zugang zur Gesellschaft. Das hat auch Tahmina Taghiyeva erfahren. Eine Frau aus der lokalen Kirchgemeinde unterstützte sie beim Deutsch-Lernen und wurde zu einer wichtigen Bezugsperson für sie. In der Seelsorge, so empfiehlt Beatrice Teuscher, Seelsorgerin im Bundesasylzentrum, sei es entscheidend, die Not jeder Person anzuerkennen. Es sei ratsam, zusätzliche Ressourcen bereitzustellen und die Last auf mehrere Schultern zu verteilen, um das System zu entlasten. Gerade da sind auch Freiwillige sehr gefragt. Weitere Informationen zur Tagung: www.refbejuso.ch/netzwerk Anfang September fand das Jahrestreffen des Netzwerks «Joint Future» in der Reformierten Kirchgemeinde Spiez statt. Die Podiumsteilnehmenden diskutierten zum Thema «Asylsystem am Anschlag – was droht unter die Räder zu geraten? Kirchliche Handlungsmöglichkeiten». Alena Lea Bucher «Was droht unter die Räder zu geraten? Die Menschlichkeit.» Mit diesen Worten begrüsst Ueli Burkhalter die Besuchenden des Jahrestreffens und bedankt sich bei ihnen für ihr Engagement – auch in herausfordernden Zeiten. Wie herausfordernd die aktuelle Lage ist, verdeutlicht Claudio Martelli, stellvertretender Direktor des Staatssekretariats für Migration: waren es 2021 noch 15 000 Asylbesuchende pro Jahr, so geht man 2023 von einem Anstieg auf 28 000 aus. Eine besondere Herausforderung dabei seien die Zunahme von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA) sowie die Beschaffung von Unterkünften. Mit der Problematik der Unterbringung von UMA ist Lukas Zürcher stellvertretend für die Stiftung «Zugang B» vertraut. Die Stiftung kümmert sich im Kanton Bern um kindsgerechten Schutz und Förderung von UMA. Zu den aktuell rund 520 UMA kommen jeden Monat im Schnitt 35 neue Kinder und Jugendliche hinzu. Die Mehrheit wohnt in Wohnheimen, die übrigen in Pflegefamilien und Sonderunterbringungen. Für die Stiftung hat sich besonders bewährt, ehemalige UMA als Betreuungspersonen anzustellen. Diese können als «Peers» den Kindern und Jugendlichen vorleben, dass eine gelungene Integration möglich ist. Sie sprechen dieselbe Sprache, teilen die gleiche Kultur und können sich gut in die Minderjährigen hineinversetzen. Frauen auf der Flucht Einen persönlichen Einblick ins Asylwesen gibt Tahmina Taghiyeva, selber vor einigen Jahren in die Schweiz geflüchtet. Ein besonderes Anliegen sind ihr Frauen und Mädchen auf der Flucht und in Kollektivunterkünften. Denn sie sind überKirchliche Handlungsfelder Aus den verschiedenen Aussagen ergeben sich auch Möglichkeiten zur Unterstützung durch kirchliche und zivilgesellschaftliche Akteure: − Verstärkung der Seelsorge − Begleitung von UMA – auch nach der erreichten Volljährigkeit − Benennen von Problemen und Herausforderungen − Türöffner sein für Berufs- und Arbeitsintegration (zum Beispiel Praktika anbieten) Die Fachstelle Migration der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn steht Freiwilligen beratend und unterstützend zur Seite: susanne. gfeller@refbejuso.ch
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