14 Dossier —– ENSEMBLE 2024/73 Maëlle Bader wollte ursprünglich gar nicht Pfarrerin werden. Und doch ist sie jetzt als erste Pfarrerin überhaupt in CourtelaryCormoret tätig. Die junge Frau Anfang 30 vertritt eine moderne und authentische Kirche. Von Nathalie Ogi Maëlle Bader wuchs mit der Kirche auf, war doch ihr Vater Pfarrer in Neuenburg. Sie studierte zunächst deutsche Literatur und Kunstgeschichte. Letztere veranlasste sie dazu, einen Einführungskurs in Bibelwissenschaften zu besuchen. Damit war ihr Interesse geweckt. Es kam, wie es kommen musste: Sie schrieb sich an der Universität Genf für ein paar Fernkurse in Theologie ein, und unversehens fand sie sich in einem Bachelorstudium wieder. «Ich hatte nicht im Sinn, Pfarrerin zu werden», schmunzelt die 34-Jährige. «Ich habe dann den Master gemacht und mich für das Lernvikariat angemeldet. Es ging Schritt für Schritt, wie von selbst.» Protestanten in der Minderheit Das Lernvikariat absolvierte Maëlle Bader in Freiburg. Zum ersten Mal war sie an einem Ort, wo Protestanten eine Minderheit bildeten. «Das war eine sehr schöne und reiche Erfahrung.» Als sie auf Stellensuche war, bewarb sich die junge Frau zusammen mit ihrem Partner im Berner Jura. Sie wurde schliesslich Nachfolgerin eines Pfarrers in Courtelary-Cormoret, der sein Amt während über 30 Jahren versehen hatte. In der Kirchgemeinde laufe es gut, sagt sie. «Natürlich stösst man immer wieder auf ähnlich gelagerte Probleme. Man musste Aktivitäten aufgleisen, um Leute anziehen zu können.» Die Pfarrerin hat deshalb ab 2021 ein Herbst-Programm eingeführt. Die Themen der eher gesellschaftlich ausgerichteten Aktivitäten legte sie in Absprache mit den Kirchgemeindemitgliedern fest. Nach dem Schwerpunkt «Ehe für alle» 2021 stand 2022 die Ökologie im Zentrum. Es gab verschiedene Workshops, Gottesdienste zur Öko-Spiritualität oder auch – um mit gutem Beispiel voranzugehen – Zero-Waste-Apéros. Wenn der Partner für die Gemeinde kocht Neben ihrer Arbeit in der Kirchgemeinde ist Maëlle Bader auch im Pfarrverband Erguël tätig. «Ich kümmere mich um die Kommunikation und die sozialen Netzwerke.» Weiter ist sie in einer kulturellen Gruppierung namens «Inspirations» und der Gruppe «meuf» tätig – meuf steht für «mille et une femmes», also 1001 Frauen. «Die Idee von meuf ist es, Frauen einen Raum zu bieten, in dem sie sich zu in dieser ländlich geprägten Gegend eher tabuisierten Themen wie etwa der Menstruation austauschen und auch sensibilisieren können.» Als allererste Pfarrerin von Courtelary-Cormoret brachte sie die Mitglieder der Kirchgemeinde hin und wieder zum Staunen. «Für die Leute ist es eher überraschend, dass mein Partner zu Hause kocht und bei den Sonntagsaktivitäten dafür sorgt, dass es etwas zu essen gibt.» Bezüglich der Kirche hat die Pfarrerin ihre eigenen Vorstellungen. «Es ist wichtig, nicht nur herkömmliche Gottesdienste anzubieten, sondern auch Gefässe, in denen anders und anderes gelebt werden kann», sagt sie. «In einer Welt, die jeder und jedem sehr viel Leistung abverlangt, bietet uns die Kirche die Chance, etwas anderes miteinander zu teilen und den Moment leben und durchatmen zu können.» Letztes Jahr hatte die Kirchgemeinde die Idee, einen Gottesdienst in den Jurahöhen durchzuführen, begleitet von einem Grillfest. Die Gottesdienste, in denen französische Chansons gespielt und in denen Kultur und Tradition miteinander in Verbindung gebracht werden, sind ebenfalls eine ihrer Ideen. HERKÖMMLICHE UND NEUE FORMEN GELEBTER SPIRITUALITÄT Pfarramt Maëlle Bader © Lenka Reichelt
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