ENSEMBLE Nr. / N° 75 - September / Septembre 2024

9 ENSEMBLE 2024/75 —– Dossier Die Geschichte der Palliativpflege Während die Entwicklung der Palliativpflege neueren Datums ist, geht die Beschäftigung mit dem Schicksal unheilbar kranker Menschen in Europa auf das 19. Jahrhundert zurück. 1842 gründete Jeanne Garnier in Lyon die «Oeuvres des Dames du Calvaire». Die Grundlagen der Palliativpflege wurden schliesslich in England von der Pflegefachfrau, Sozialarbeiterin und Ärztin Cicely Saunders entwickelt. Sie war es, die erstmals Schmerzbehandlungsprotokolle einführte. 1967 gründete sie in London ein Hospiz mit einem interdisziplinären Team, in dem Angehörige der Gesundheitsberufe, Freiwillige und Gottesdienstmitarbeiter zusammenarbeiteten, um die Kranken und ihre Angehörigen zu betreuen. Das Saint Christopher’s Hospice ist immer noch eine Referenzinstitution mit internationaler Ausstrahlung. Die Bezeichnung «Palliative Care» geht auf Professor Balfour Mount zurück, der 1974 die erste Palliativstation in einem Universitätsklinikum in Montreal gründete. 1988 wurde die Europäische Gesellschaft für Palliative Care gegründet, gleichzeitig wurde die Schweizerische Gesellschaft für Palliativmedizin ins Leben gerufen, die 1995 in Schweizerische Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Betreuung umbenannt wurde und heute schlicht palliative.ch heisst. 1986 wurde in Genf die erste Schmerz- und Palliativsprechstunde durchgeführt. 2006 wurde an der Universität Lausanne der erste Lehrstuhl für Palliativmedizin der Schweiz eingerichtet. Im Jahr 2010 hat die Schweiz eine nationale Strategie für diesen Bereich formuliert. Sie vermittelte einen wichtigen Impuls und brachte eine Annäherung an das Ziel, den Zugang zur Palliativpflege für alle Patienten zu gewährleisten, die darauf angewiesen sind. Gleichzeitig konnten dank der Strategie die doch erheblichen kantonalen Unterschiede verringert werden. Spirituelle Begleitung Eine der grössten Herausforderungen am Lebensende aber sind die drängenden seelischen, psychischen oder existenziellen Fragen, welche die Patientinnen und Patienten umtreiben. Der Umgang damit gestaltet sich oft schwierig. Hier kommt die Rolle der Psychologen, aber auch der Geistlichen voll zum Tragen. Bei der Begleitung der Kranken greifen die Teams regelmässig auf Fachpersonen aus der Kirche zurück. «Im Gesundheitswesen ist die spirituelle Begleitung heutzutage fester Bestandteil der ganzheitlichen Behandlung von Patienten und ihren Angehörigen», bestätigt Pfarrer Reto Beutler, der als Seelsorger im Spitalzentrum Biel tätig ist. Bei seiner Tätigkeit ist die Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal ein unbedingtes Muss: Sie schafft Vertrauen und öffnet Türen. «Die Kirchen können in Bezug auf den Umgang mit dem Lebensende, das Abschiednehmen und die Trauerbewältigung auf eine lange Tradition zurückblicken. Ihr Personal ist gut ausgebildet, verfügt über einen Master-Abschluss und Zusatzausbildungen», hebt der Seelsorger hervor, der auch die Beratungsstelle Leben und Sterben in Bern leitet, in welcher Fragen rund um das Lebensende und den Tod erörtert werden. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch, dass Pflegefachpersonen das Angebot von Kursen wie «Letzte Hilfe» durchaus begrüssen. Dieser kostenlose eintägige Kurs, der seit einigen Jahren namentlich von den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn angeboten wird und allen offensteht, vermittelt die Grundlagen, um die Bevölkerung für die Themen Tod, Antizipation, Entscheidungsfindung, Linderung des Leidens und Abschiednehmen zu sensibilisieren. Informationen palliative.ch/de | palliactif.ch beratunglebenundsterben.ch © KEYSTONE/Peter Komka Gefragt ist eine ganzheitliche Behandlung der Betroffenen. Ce qui est demandé, c’est un traitement global de la personne.

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