18 Fokus —– ENSEMBLE 2024/76 Die berühmte Hochzeitskirche Wahlern auf dem Hügel sei für manche Gäste mehr InstagramKulisse als spiritueller Ort, sagt die Schwarzenburgerin Barbara Riesen. Sie bekleidet das Sigristenamt bereits in fünfter Generation. Von Markus Dütschler Manch ein Lausbub erinnert sich daran, dass ihm einst der gestrenge Sigrist «eis gchlepft» hat, wenn er sich in der Kinderlehre nicht benahm. Ähnlich wie Schulhausabwarte kamen auch nicht alle Sigristen gleich gut darüber hinweg, dass ein gebohnerter Holzboden wieder Schuhabdrücke aufwies. «Es ist normal, dass ein geputzter Raum bald wieder gebraucht aussieht», sagt die 54-jährige Barbara Riesen. Putzen sei nun einmal Sisyphusarbeit. Doch der Sigristenberuf umfasse weit mehr als Putzen. Im Herbst sei das Lauben «eine never ending Story», sagt Riesen. Für das Rasenmähen melde sich jeweils der eine oder andere Jugendliche, der darauf erpicht sei, sich auf den Rasentraktor zu setzen und dabei erst noch ein Sackgeld zu verdienen. Für Riesen ist die Rolle der Gastgeberin eine Freude, zumal sie in einer historisch bedeutenden Kirche wirkt, die zu den beliebtesten Hochzeitlokalen in bernischen Landen zählt. Sie fertigt der Jahreszeit entsprechende Blumengebinde an und gibt alles, um den Raum einladend zu gestalten. Sakralbau als Instagram-Kulisse Doch in Zeiten, in denen Events zuallererst auf Instagram bella figura machen müssen, haben die Gäste oft ganz eigene Vorstellungen, wie eine Hochzeit ablaufen soll. Da verfällt etwa eine Weddingplanerin auf die Idee, rote Rosenblätter in der Kirche streuen zu lassen, auf der die Gäste «umetschaupe». «Die Farbe kriegt man fast nicht mehr aus dem Sandsteinboden heraus», seufzt die Sigristin. Mit zunehmender Kirchenferne fehle es bei manchen an Verständnis dafür, dass die Kirche nicht irgendein Eventlokal sei, sondern ein Haus Gottes. Oft werde im Gottesdienst laut geredet und dazu gefilmt. Die Kirche werde zur blossen Kulisse, deren historisches Inneres zuweilen sogar mit Tüchern abgedeckt werde. «Dann frage ich mich schon, weshalb sie die Feier nicht in einem beliebigen Saal durchführen.» SIGRISTINNEN Die Anspruchshaltung nimmt zu, das Kirchenwissen ab Ist es anders, wenn nicht fremde Eventgäste, sondern die einheimische Bevölkerung «z’Chiuche» kommt? Wie zu Gotthelfs Zeiten sei es auch in Schwarzenburg nicht mehr, sagt Barbara Riesen. Doch der Gottesdienstbesuch sei recht gut, nicht nur an Feiertagen. Wahr sei aber auch, dass die Zuhörerschaft am Sonntag meist schon im gesetzteren Alter stehe. Berühmt und beliebt ist die Feier an Heiligabend in der ikonischen Kirche, die von weither sichtbar auf dem Hügel thront. Die Sigristin und ihr Mann schmücken den grossen Tannenbaum vorgängig während Stunden. Sie richten die Kerzen so her, dass sie sich mittels einer Zündschnur selbst entflammen, was spektakulär aussieht. Wenn die Lichter brennen, setzt das Spiel auf der Orgel ein, und die Gemeinde stimmt in das berühmteste aller Weihnachtslieder ein: «Stille Nacht, heilige Nacht.» Verrusste Kirche nach Vandalenakt Die grosse Tanne im Kirchenraum wird jeweils wenige Tage vor Heiligabend geschlagen, damit sie noch im Saft ist und nicht selbst Feuer fängt. In der Kirche hat es nämlich einmal gebrannt. Schuld daran war allerdings nicht der Christbaum. Vielmehr «zünselten» unbekannte Vandalen im Kirchenraum. Der Brand ereignete sich im Januar 2010. Die historische Kanzel wurde ein Raub der Flammen. Ansonsten kam der Brand zum Glück nicht recht in Fahrt, doch der Russ bedeckte Bänke, Wände Sigristen-Verband Barbara Riesen versieht das Amt als Sigristin in der Kirche Wahlern (Gemeinde Schwarzenburg) 1998. Seit kurzem bekleidet sie im Sigristen-Verband der Sektion Bern-Mittelland das Amt als Aktuarin. Der Verband bietet eine Grundschulung an und führt spezielle Kurse durch, etwa für Blumenschmuck, Arbeitssicherheit, Umgang mit Trauernden oder Erste Hilfe. Manchmal treffen sich die Mitglieder zwecks Kameradschaftspflege in der Kirche von Kolleginnen oder Kollegen. Man sehe, dass gewisse Probleme auch anderswo vorkämen, sagt Barbara Riesen. Und oft vernehme man wertvolle Tipps, wie man sie am besten löse. sigristen-bern-mittelland.ch
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