ENSEMBLE Nr. / N° 76 - Dezember / Décembre 2024

22 Fokus —– ENSEMBLE 2024/76 Urs Bruderer ist Geomatikingenieur und erstellt digitale Zwillinge von Gebäuden, die per Mausklick virtuell begehbar sind. So auch für die Markuskirche und die Johanneskirche in Bern. Mit dieser Technik kann beispielsweise vor einem geplanten Event geprüft werden, welche Infrastruktur in einen Raum passt. Von Adrian Hauser Urs Bruderer aus Bolligen scannt Kirchen. Er ist diplomierter Geomatikingenieur und Dozent für Baugeomatik an der Berner Fachhochschule. Im 2014 gründete er neben seinem Engagement als Berufspädagoge die Firma «Arpentix». Zwei seiner Aufträge waren, von der Markuskirche und der Johanneskirche in Bern einen digitalen Zwilling zu erstellen. Er verwendet dazu eine spezielle Kamera, einen 3D-Scanner, der auf einem Stativ steht. Der 3D-Scanner dreht sich dabei sowohl vertikal wie horizontal um die eigene Achse und «tastet» so die Umgebung ab. Um einen digitalen Zwilling eines Raums oder eines Gebäudes zu erhalten, muss man sich im Raum bewegen und verschiedene Messstationen platzieren, deren Scans sich gegenseitig überlappen. Die Kamera hat unglaubliche 134.2 Megapixel. Zum Vergleich: Eine durchschnittliche Profifotokamera hat aktuell etwa 45 Megapixel. Erstellt werden beim Scan also hochaufgelöste Bilder und eine Punktwolke, die der Computer danach in ein virtuelles und dreidimensionales Modell umrechnet, in dem man sich per Mausklick frei bewegen kann. Auch der Grundriss wird vom Programm errechnet und darKirche als virtueller Raum gestellt. Um die vielen Daten zu verarbeiten, braucht es ein spezielles Programm, das sich auf einem Server in den USA befindet. Rund fünf Stunden braucht das Programm für eine solche Berechnung. Beim digitalen Zwilling lassen sich sogar Ausmasse vornehmen. So kann man beispielsweise messen, wie breit ein Türdurchgang oder wie hoch ein Raum ist. Die 3D-Kamera hat dabei eine Genauigkeit von plus-minus zwei Zentimetern. Verschiedene Anwendungsbereiche Die Aufträge für die beiden Stadtberner Kirchen kamen zustande, um eine mögliche Umnutzung zu prüfen. Anhand der digitalen Nachbildung kann man beispielsweise eruieren, welche Infrastruktur in einen Raum passt. Das System eignet sich aber auch für Räume, die regelmässig vermietet werden. Denn so kann jemand, der sich für eine Raummiete interessiert, im Vorfeld abklären, wie der Raum aussieht, wie gross er ist und ob er für die geplante Nutzung geeignet ist. «Auch für vielgebuchte Hochzeitskirchen ist diese Technik geeignet», erklärt Urs Bruderer. So kann die Hochzeit im Vorfeld besser geplant werden. Es gibt aber noch weit mehr Anwendungsbereiche, wie Urs Bruderer berichtet. Gebäude mit historischem Wert können auf diese Weise archiviert und gesichert werden. Wird das Gebäude beispielsweise durch einen Brand zerstört, so hat man nicht nur die Baupläne als Basis für einen Wiederaufbau, sondern auch eine optische Kopie, die Anhaltspunkte über die verwendeten Materialien und das Innendesign gibt. Die Erstellung einer digitalen Nachbildung eines Gebäudes kostet rund tausend Franken. Bezug zur Kirche Urs Bruderers Augen leuchten, wenn er von seiner Arbeit erzählt. Für ihn ist diese Tätigkeit nicht nur eine Arbeit, sondern auch eine Leidenschaft. Und seine Begeisterung ist ansteckend, was ihm sicher auch bei seiner Arbeit als Berufspädagoge entgegenkommt. Als Selbständiger bietet er Schulungen, Beratungen, 3D-Vermessungen und 3D-­ Rekonstruktionen an. Gerne würde er auch weitere Kirchenprojekte realisieren, denn die Kirche liegt ihm am Herzen. Er hat durch seine familiäre Herkunft einen persönlichen Bezug zur Kirche, ist also «kirchlich sozialisiert», und dies auch aus Überzeugung. Urs Bruderer: «Die Landeskirche leistet einen wichtigen Beitrag zum Wohl der Gesellschaft.» arpentix.ch © Adrian Hauser Urs Bruderer

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