4 Dossier —– ENSEMBLE 2024/76 Psychische Erkrankungen nehmen zu, nicht nur in Städten, sondern auch auf dem Land. Hier setzt die kirchliche Sozial-Diakonie an. Im Emmental werden Betroffene, Angehörige und Fachleute zu psychischer Gesundheit miteinander vernetzt und unterstützt. Denn sorgende Gemeinschaften werden immer wichtiger. Von Karl Johannes Rechsteiner «Psychische Erkrankung – sprechen wir darüber» lautete vor zwei Jahren der Titel eines Artikels auf der Frontseite der Wochen-Zeitung für das Emmental und Entlebuch, und auch andere Medien berichteten darüber. Die Publikationen wirken bis heute nach. Das Thema angepackt hatte die Kirchgemeinde Langnau in Zusammenarbeit mit dem Bereich Sozial-Diakonie der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Anlass für dieses Engagement war eine Studie der Universität Bern aus dem Jahr 2022, die ergab, dass 19 bis 31 Prozent der Jugendlichen zwischen elf und 21 Jahren sich psychisch belasteter fühlen als vor der Corona-Pandemie. «Da habe ich gedacht, da müssen wir doch was tun können», erinnert sich Pfarrerin Manuela Grossmann. Jeder zweite Mensch leide im Laufe seines Lebens irgendwann an einer psychischen Krankheit. Die Erkenntnisse der Studie bestätigten ihre Erfahrungen in der Seelsorge, erklärt die Pfarrerin in Langnau: «Psychische Erkrankungen nehmen zu und dürfen also kein Tabu sein.» Deshalb organisierte sie sogenannte «ensa-Kurse». Diese funktionieren wie Nothelferkurse und befähigen Laien, Erste Hilfe zu leisten, wenn eine psychische Krise eintritt. Denn Früherkennung, Nachbarschaftshilfe und kompetente Beratung sind bei psychischen Erkrankungen besonders wichtig. Erfolgreiche Erste-Hilfe-Kurse Dank der Medienberichte stiessen die erstmals im oberen Emmental durchgeführten Anlässe auf ein enormes Echo. Dutzende Personen meldeten sich für die Angebote, welche die Kirchgemeinde gemeinsam mit den Fachfrauen Alena Gaberell und Helena Durtschi des Bereichs Sozial-Diakonie der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn durchführten. Bisher konnten 104 Ersthelfende ausgebildet werden, und die Rückmeldungen auf die Weiterbildungen waren durchwegs positiv. Während der Kurse wurde allen Beteiligten klar, wie wichtig die Sensibilisierung, Nothilfe für Betroffene und die Entlastung von Angehörigen ist. Gleichzeitig sind jedoch manche Angebote kaum bekannt. Es bestehen zudem wenig Vernetzungen von Fachstellen oder mit Menschen in ähnlicher Lage in der Familie oder am Arbeitsplatz. Selbst untereinander kennen sich manche Fachleute nicht einmal. Das Bedürfnis nach Vernetzung ist also hoch. Folgerichtig trafen sich nun gut 30 Interessierte Ende Oktober 2024 zu einem ersten Vernetzungsanlass. Netz von Betroffenen und Fachleuten Bei einem Beinbruch oder hohem Fieber finden Patientinnen oder Patienten rasch Hilfe in Notaufnahmen von Krankenhäusern oder via hausärztliche Dienste. Doch mit einer Depression, einer Zwangsstörung, einem Burnout oder einer Suchterkrankung ist sogar nach einer klaren Diagnose guter Rat oft gefragt. Denn die Plätze in passenden Einrichtungen sind rar. Betroffene warten manchmal monatelang auf Hilfe und werden alleingelassen, obwohl sie sofort Begleitung, Betreuung oder Beobachtung bräuchten. Einige Betroffene erzählten an der Vernetzungstagung von solch belastenden Erfahrungen. Auch Angehörige und Vertrauenspersonen von psychisch belasteten oder erkrankten Menschen stossen oft an ihre Grenzen und benötigen UnterDAMIT DIE SEELE WIEDER GESUNDET TRAGENDE GEMEINSCHAFT POUR RETROUVER LA SANTÉ PSYCHIQUE UNE COMMUNAUTÉ QUI PORTE
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