ENSEMBLE Nr. / N° 76 - Dezember / Décembre 2024

5 ENSEMBLE 2024/76 —– Dossier © KEYSTONE / WESTEND61/ Vitta Gallery stützung und Entlastung. Die Veranstaltung im reformierten Kirchgemeindehaus in Langnau setzte hier ein Zeichen. Denn ganz selbstverständlich kamen da unterschiedlichste Menschen miteinander ins Gespräch. Zum Beispiel Leute von Emmentaler Fachstellen aus Psychiatrie und Krisenintervention, für Ehe und Partnerschaft, von Spitex, Angehörigenberatung, Ärzte, die Stiftung Berner Gesundheit, Selbsthilfegruppen, Sozialdienste, Jugendarbeit, Erziehungsberatung, freiberufliche Pflegefachfrauen oder Gemeinderätinnen aus der Region. Noch ist es nicht üblich, dass Betroffene, Angehörige und Fachpersonen gemeinsam ihre Erfahrungen reflektieren. Das Emmentaler Netzwerk ist hier eine Pionierin. Das gegenseitige Kennenlernen der Organisationen und ihrer Angebote ist enorm hilfreich. Auch Freiwillige, die etwa einen Erste-Hilfe-Kurs für psychisch Erkrankte besucht haben, spielen eine wichtige Rolle, vor allem in einer frühen Phase einer Krise oder präventiv im tragenden Umfeld. Manuela Grossmann ist überzeugt, dass die noch ungewohnte Kooperation der Betroffenen und Angehörigen mit Fachstellen allen Beteiligten weiterhilft. Psychische Erkrankung als Kunstwerk der Seele Solch stützende Netze sind auch Teil des Konzepts der «Caring Community», der sorgenden Gemeinschaft, für die sich diverse Organisationen, politische und Kirchgemeinden engagieren. In «Caring Communities» wollen Menschen füreinander sorgen und Verantwortung für soziale Aufgaben wahrnehmen, in grosser Vielfalt, Offenheit und Partizipation. Pfarrerin Manuela Grossmann gefällt der Begriff der «Räume des Helfens», wo Krisen aufgefangen werden und sich Wege der Entwicklung öffnen. Im Bewusstsein eines solch ganzheitlichen Verständnisses von Gesundheit begleitet auch der entsprechende Bereich der Berner Fachhochschule die Vernetzung im Emmental. «Geh doch mal an die Sonne» oder «Reiss dich etwas zusammen» – gut gemeinte Ratschläge bei seelischen Krisen können Betroffene verletzen und eine Negativspirale gar verstärken. Psychische Erkrankungen bilden oft ein Tabu, über das nicht gerne gesprochen wird. Umso bedeutungsvoller sind die Wissensvermittlung über psychische Erkrankungen und der Austausch von Menschen in ähnlicher Lage in der Familie oder am Arbeitsplatz. «Psychische Erkrankungen dürfen wir nicht nur negativ sehen», erklärt Manuela Grossmann. Wir sollten ihnen offen begegnen, sie seien auch «Kunstwerke der Seele», gerade bei Menschen, die besonders sensitiv auf unsere verrückte Welt reagieren. Verständnis kann nur durch Verstehen entstehen, wenn immer mehr Leute die Hintergründe solcher Krankheiten kennen. Es braucht Öffentlichkeitsarbeit, um eine Veränderung des Bildes von psychischen Erkrankungen voranzutreiben. Ein Netzwerk, das weiter geht Die Erwartungen ans neue Netzwerk wurden beim ersten Treffen mehr als erfüllt, weil alle Beteiligten mit Herzblut mitmachten. «Es ist etwas in Bewegung gekommen», stellt Mitorganisatorin Helena Durtschi von den Reformierten Kirchen Bern-JuraSolothurn fest. Und Miriam Deuble, stellvertretende Bereichsleiterin Sozial-Diakonie, bestätigt: «An der Basis hat sich gezeigt, dass psychische Gesundheit ernster genommen werden muss.» Die Teilnehmenden an der Langnauer Tagung waren sich einig, dass ihr Treffen erst ein Anfang war. Sie wollen sich weiter für die Ziele des Netzwerks einsetzen: − Kontinuierliche Sensibilisierung der Bevölkerung zum Thema psychische Gesundheit − Vermittlung von Kompetenzen zur Prävention und Früherkennung psychischer Belastungen, zum Beispiel durch Weiterführung der ErsteHilfe-Kurse − Aufbau von Systemen der Unterstützung und Entlastung von Angehörigen und Vertrauenspersonen psychisch belasteter oder erkrankter Menschen, zum Beispiel mit Angehörigengruppen − Bekanntmachung und Vernetzung bestehender Angebote Das Projekt könnte nicht nur im oberen Emmental Impulse geben, sondern auch andere Regionen inspirieren. «Gemeinsam können wir diese Themen weiterdenken und in der Gemeinde breiter abgestützt verankern», freut sich Pfarrerin Manuela Grossmann. Ihre Motivation ist so einfach wie klar: «Wer in einer psychischen Krise steckt, sollte nicht alleingelassen werden. Wir wollen einfach Menschen zusammenbringen, die sich gegenseitig unterstützen.» Gut gemeinte Ratschläge bei seelischen Krisen können Betroffene verletzen und eine Negativspirale gar verstärken. En cas de crise psychique, des conseils bien intentionnés peuvent blesser les personnes concernées et même renforcer une spirale négative.

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