8 Dossier —– ENSEMBLE 2024/76 © KEYSTONE / Patrick Huerlimann ANGEHÖRIGE Sie bleiben unsichtbar und brauchen mehr Hilfe Die Zahlen der im März erschienenen Sotomo-Studie überraschen: Mehr als die Hälfte der Erwachsenen unterstützt eine nahestehende Person, die psychisch erkrankt ist. Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn haben reagiert. Von Helena Durtschi * In der Schweiz sind es aktuell 2,1 Millionen Menschen, die sich um eine psychisch kranke Person kümmern. Das kann die an Schizophrenie erkrankte Tochter sein, der Ehemann mit Suizidgedanken oder die Mutter, die an einer Angststörung leidet. Auch am Vernetzungsanlass in Langnau meldeten sich Angehörige zu Wort und erzählten in eigenen Worten, was auch in der Sotomo-Studie aufgenommen wird: Angehörige fühlen sich alleingelassen, überfordert, nicht ernst genommen und erhalten kaum fachliche Unterstützung. Nicht selten führt sie ihr Engagement an den Rand der eigenen Erschöpfung. Angehörige entlasten System Obwohl in Kliniken das Bewusstsein für die Situation der Angehörigen da ist, fehlt den behandelnden Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegenden die Zeit, um sich um die Angehörigen zu kümmern. Das ist fatal, denn Angehörige sind für die Betroffenen wichtig und für das Gesundheitssystem eine grosse Entlastung. Aus den Studienergebnissen wird deutlich, dass psychisch erkrankte Personen ohne die Angehörigen zusätzliche professionelle Hilfe in Anspruch nehmen müssten. Ein besonderes Augenmerk richtet die Studie auf die sogenannten «young caregivers». Das sind Kinder und Jugendliche, die sich um ein Familienmitglied, meist den eigenen Vater oder die eigene Mutter, kümmern. Dreijähriges Projekt Hilfe und Unterstützung leisten Fachstellen von Kliniken und der schweizweit tätige Verein «stand by you». Rückgrat von «stand by you» sind die regionalen Organisationen der VASK. Sie bieten Schulungen, Vernetzungen, Selbsthilfegruppen und Beratungen an. Alle Angebote entstehen ausschliesslich durch Freiwillige, meist Personen, die selber eine schwierige Geschichte durchleben mussten. Lisa Bachofner, Leiterin der VASK Bern, sagt dazu: «Wir könnten noch viel mehr leisten, die Anfragen übertreffen bei weitem das, was wir mit unseren Ressourcen leisten können.» Der Synodalrat der Reformierten Kirchen BernJura-Solothurn hat nun reagiert und ein dreijähriges Projekt bewilligt, das zusammen mit anderen Organisationen und Betroffenen Angebote in Kirchgemeinden schaffen soll. Sotomo-Studie Was Angehörige leisten, geht oft vergessen. Zu Unrecht! Denn psychische Probleme belasten nicht nur Betroffene, sondern auch das Umfeld. Erstmals zeigt die im März 2024 erschienene Sotomo-Studie auf, dass aktuell rund die Hälfte der erwachsenen Personen als An- oder Zugehörige ihre Nächsten unterstützen. Viele Engagierte fühlen sich alleingelassen. Informationen Sotomo-Studie «Stand by you»: sotomo.ch Neue 30-Prozent-Projektstelle In Zusammenarbeit mit Kirchgemeinden sowie bereits vorhandenen Beratungsstellen und peers sollen Angebote geschaffen werden, die Angehörige und Begleitpersonen von psychisch kranken Menschen in verschiedener Weise unterstützen und entlasten. Informationen diakonierefbejuso.ch (Stichwort: Angehörige) * Fachmitarbeiterin Bildung / RefModula Michael Hermann, Leiter der Forschungsstelle Sotomo. Michael Hermann, directeur du Centre de recherche Sotomo.
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