OeME-Migrationsarbeit - ein Handbuch für Kirchgemeinden

2.1 Theologische Grundlagen der OeME-Migrationsarbeit sehen – Hoffnung ankündigen – handeln. Was die Arbeit von OeME-Migration trägt Es mehren sich die Jubiläen entwicklungspolitischer und zivilgesellschaftlicher Organisationen, die in den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts gegründet wurden. Ernüchtert kann festgestellt werden, dass viele der Fragestellungen, die an ihrem Ursprung standen, bis heute aktuell sind: Aufrüstung und Krieg, Ausbeutung von Mensch und Natur, Umweltverschmutzung, Vertrei- bung und Flucht, Vorurteile und Diskriminierung. Immer wieder neu sind wir gefordert, die Ursachen dieser Miss- stände zu analysieren, die Hoffnung auf die neue Schöp- fung, in welcher Tränen abgewischt, Tod, Trauer, Klage und Mühsal nicht mehr sein werden (Offb 21,4), wachzu- halten und Zeichen eines Lebens in Fülle (Joh 10,10) mit unserem Handeln vorwegzunehmen. Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung Die Ökumenische Europäische Versammlung hat 1989 in Basel ihre Anliegen in die drei Grundworte Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung gefasst, die die OeME-Migrationsarbeit prägen. Wie ein roter Faden wird das biblische Zeugnis von der Suche nach Gerechtigkeit durchzogen. Die Grundlage für ein Zusammenleben in Frieden ist die Gerechtigkeit (Jes 32,17; Ps 85,11; Ps 89,15–17). Im Alten Testament zeigt sich die Solida- rität mit den Armen und Fremden auf Schritt und Tritt: «Euer Gott ist der Gott, der kein Ansehen der Person kennt, der der Waise und der Witwe Recht verschafft und den Fremden liebt, so dass er ihm Brot und Kleidung gibt. Auch ihr sollt den Fremden lieben; denn ihr seid selbst Fremde gewesen im Land Ägypten» (Dtn 10,17–19). Gott ist der Anwalt der Armen (Am 5). Die Liebe zu diesem Gott und die Liebe zum Nächsten sind deshalb untrennbar miteinander verbunden (Mt 22, 34–40; Lk 10, 25–29). Im Neuen Testament identi- fiziert sich Jesus unmissverständlich mit den Notleiden- den: «Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gege- ben […], ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen» (Mt 25, 35). Dabei ist der Ausgleich eines der grund- legenden Prinzipien, die kirchliches Handeln bewegen: «Im jetzigen Zeitpunkt möge euer Überfluss ihren Mangel aufwiegen, damit auch ihr Überfluss euren Mangel aufwie- ge, so dass es zu einem Ausgleich kommt» (2 Kor 8,14). Der Mensch ist aber auch Verwalter von Gottes Schöp- fung (1. Mos 1, 26–28) und steht in einer besonderen Verantwortung nicht nur für sich selbst und für seine Nächsten, sondern auch für die Mitgeschöpfe (1. Mos 1–2; Ps 8; Ps 104). Die Bewahrung der Schöpfung oder die Nachhaltigkeit sind Frucht davon, dass der Mensch seine Rolle in der Schöpfung wahrnimmt. Vor Ort präsent – die Welt im Blick Auf dem Hintergrund des Machtmissbrauchs von Kirchen und blutiger Eroberungskriege von Staaten klingt der so- genannte Missionsbefehl (Mt 28,16–20) wie ein gefährli- ches Überbleibsel kolonialer Gewalt. Trotzdem liegt in ihm die Lebenskraft einer Kirche, die Grenzen überwindet und im Nächsten nicht den Fremden, sondern Gottes Gegen- über sieht. Die Kirche findet zu sich selbst, indem sie hinausgeht, sich für die einmalige Würde des Menschen unabhängig von seiner Herkunft und Religion sowie für Gerechtigkeit und Befreiung aus Unterdrückung einsetzt. Eine solche Kirche wird die Menschenrechte, besonders auch diejenigen von Migrantinnen und Migranten, vertei- digen sowie im Dialog und der Zusammenarbeit mit an- deren zivilgesellschaftlichen Kräften den Frieden suchen. Unter dem Vorzeichen des Gewaltverzichts ist die Kirche und damit jeder und jede von uns gerufen, als Teil einer säkularisierten, multikulturellen und multireligiösen Gesell- schaft mit Wort und Tat öffentlich präsent zu sein. «Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben […], ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen.» Matthäus 25, 35 7 0 2 | T H E O L O G I S C H E G R U N D L A G E N

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