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Dossier —– ENSEMBLE 2016/10

Die Kirche hat zum Thema Tourismus viel zu

sagen: Die Auszeit vom Alltag existiert bereits

in der Bibel, und Gastfreundschaft ist zutiefst

christlich. Über Seelsorge für Touristen

und Kirchgemeinden als Gastgeberinnen.

Von Adrian Hauser

Ferien sind heilige Tage. Und das im wahrsten

Sinne des Wortes, wenn man den englischen Aus-

druck «Holidays» wörtlich übersetzt. Bereits in der

Schöpfungsgeschichte wird der siebte Tag als hei-

lig erklärt. Er bietet den Freiraum, das zu tun, was

sonst im Alltag zu kurz kommt: «Ausruhen, durch

die Felder spazieren, Dasein für Partnerschaft und

Familie, Verwandte besuchen, gut essen, den Kon-

takt zu Gott pflegen und gesellschaftliche Diskus-

sionen führen.» Dies erklärt Thomas Schweizer,

Beauftragter für Tourismus der Reformierten Kir-

chen Bern-Jura-Solothurn. «Die Schöpfungsge-

schichte wies dem Sabbat seinen Zweck zu: Eine

Ergänzungszeit zu sein, um die Schöpfung zu ge-

niessen und dabei die eigene Work-Life-Balance

zu finden.»

Gemäss der Kommission Kirche und Tourismus

des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbun-

des (SEK) gewinnt der Freizeit- und Ferienbereich

immer mehr an Bedeutung. Menschen in der Frei-

zeit und den Ferien seien offener, sich auf inten-

sive Erlebnisse im Bereich der christlichen Spiri-

tualität einzulassen, so die Kommission. Sie ortet

drei Megatrends im Ferien- und Freizeitbereich:

Er gewinnt als Komplementärraum zur Arbeits-

welt immer mehr an Bedeutung; er wird zuneh-

mend zu einem Raum, in dem Freiheit gelebt und

erlebt werden kann; er ist eine Kreativzeit, in der

auch spirituelle Bedürfnisse wachsen und zur Aus-

einandersetzung mit Sinn- und Identitätsfragen

führen können. Dies bietet gemäss der SEK-Kom-

mission der Kirche die Chance, dort mit Menschen

in Kontakt zu treten, wo diese offen sind für ihre

Anliegen.

Seelsorgerliche Begleitung im Wallis

Im Wallis hat man dies erkannt: Seit 2011 gibt es

in der Sonnenstube der Schweiz die Evangelische

Tourismuspastoration, die formal eine Kommission

der Evangelisch-reformierten Kirche des Wallis ist.

«Ihre Gründung war eine Folge der kirchlichen

Entwicklung – notabene in der Berner Kirche»,

weiss deren Präsident Beat Abegglen, der gleich-

zeitig Pfarrer der Kirchgemeinde Siders ist und auf

einem Campingplatz wohnt. «Die Kirchgemeinden,

die bis anhin die touristischen Aktivitäten im Ober-

wallis organisiert und auch finanziell mitgetragen

hatten, zogen sich mehr und mehr zurück.» Darauf

hat der Walliser Synodalrat beschlossen, die tou-

ristischen Aktivitäten prioritär zu behandeln und

eigenverantwortlich zu organisieren. Dazu wurde

das Amt eines Tourismuspfarrers geschaffen, das

von Beat Abegglen während zwei Jahren betreut

wurde. Die 20-Prozent-Stelle wird von der Protes-

tantischen Solidarität Bern und dem Zweigverein

Berner Oberland finanziert. «Dies, weil sie die

Wichtigkeit der Aufgabe erkannt haben und weil

das Projekt sehr gut in den ursprünglichen Solida-

ritätsgedanken der zwischenkirchlichen Hilfe

passt», erklärt Beat Abegglen. «Viele Gäste stam-

men ja aus dem Kirchengebiet der Berner Kirche.»

Neben Schweizer Touristen steuern hauptsächlich

Reisende aus Deutschland, Holland oder England

die Gästegottesdienste an.

Doch was haben die Menschen für einen Hin-

tergrund, die fernab von zu Hause kirchliche An-

gebote nutzen? Gemäss Beat Abegglen sind es oft

Personen, die in ihrer Heimat regelmässig Gottes-

dienste besuchen und auch in den Ferien das Be-

dürfnis nach geistlicher Gemeinschaft haben. Aber

es gibt auch solche, bei denen in den Ferien im

Alltag unterdrückte Fragen oder Spannungen auf­

KREATIVZEIT

FÜR SINNFRAGEN

FERIEN UND TOURISMUS

AVOIR DU TEMPS

POUR FAIRE LE POINT

VACANCES ET TOURISME