Seelsorge - Beratung - Begleitung - page 16

4.
Praxisbeispiele an der Schnittstelle
Seelsorge – Beratung – Begleitung
4.1.
Praxisbeispiel (Pfarrer/in)
Frau W. ist Ehefrau eines nach einer Gehirnblu-
tung behinderten Mannes und übernimmt weit-
gehend dessen Pflege. Nach dem Tod des
Mannes (Bestattung durch Pfarrperson begleitet)
stellen sich im Leben der Frau vermehrt Fragen
nach dem Sinn des Lebens. In regelmässigen,
längeren Gesprächen (monatlich) begleitet die
Pfarrperson Frau W. durch diese Lebenskrise
und hilft so mit, dass die Frau ihr Schicksal ein-
ordnen und tragen kann.
4.2.
Praxisbeispiel mit Triage
(Pfarrer/in – Sozialdiakon/in)
Im Rahmen eines Bestattungsnachgesprächs
erkennt die Pfarrperson, dass der Witwer mit
dem Alltagsleben eventuell überfordert sein
könnte. Nach längeren Gespräch lässt der allein-
stehende Mann sich darauf ein, über Hilfe nach-
zudenken. Die Pfarrperson informiert den Sozial-
diakon ausführlich über die Lebenssituation des
Mannes und den familiären Hintergrund. Der
Sozialdiakon nimmt Kontakt auf und begleitet
den Mann mit Hilfe dessen Kinder beim Umzug
in ein Heim, das seiner Situation angepasst ist.
4.3.
Praxisbeispiel (Katechet/in)
Die Katechetin S. stellt fest, dass sich Nathalie,
eine bis anhin durchaus interessierte Konfirman-
din, in den letzten Unterrichtssequenzen auffal-
lend passiv, uninteressiert und abweisend ver-
hält.
Frau S. ist unsicher, ob sie Nathalie auf ihr un-
gewohntes Verhalten ansprechen soll.
Kurz vor Unterrichtsschluss verlässt Nathalie
ohne Entschuldigung den Unterrichtsraum. Frau
S. ist irritiert.
Nach Unterrichtsschluss räumt Frau S. das Un-
terrichtszimmer auf; da taucht Nathalie plötzlich
wieder auf – bleich und verheult.
Nathalie teilt der Katechetin mit, dass sie sich
nun doch nicht konfirmieren lassen wolle. Frau
S. ist erstaunt und fragt nach dem Grund. Natha-
lie zögert: Es geht um ihren Vater; die Eltern sind
geschieden, der Vater lebt im gleichen Dorf, ist
arbeitslos und hat Alkoholprobleme. Nathalie
pflegt zwar kaum Kontakt zu ihrem Vater, be-
fürchtet aber, dass er an ihrer Konfirmation alko-
holisiert in der Kirche auftauchen könnte und die
Familie vor der ganzen Gemeinde blamieren
würde.
Frau S. hört ruhig zu. Eine traurige Geschichte
kommt auf den Tisch.
Die Katechetin stellt fest, dass sie Nathalies
Ängste durchaus verstehen kann, bietet ihr an,
das Gespräch mit der Mutter zu suchen, um
gemeinsam nach möglichen Lösungen zu suchen.
Sie erklärt sich auch bereit, allenfalls – im Ein-
verständnis mit Nathalie und ihrer Mutter – Kon-
takt mit dem Vater aufzunehmen.
Nathalie hat sich mittlerweile beruhigt und ver-
spricht, mit ihrer Mutter nach einem Gesprächs-
termin zu suchen.
Das Gespräch mit Nathalie und ihrer Mutter
kommt zustande. Die beiden sind froh, wenn
Frau S. Kontakt zum Vater aufnimmt und mit
diesem die „Spielregeln“ für die Konfirmation
klärt.
Frau S. hat ein gutes, offenes und klärendes
Gespräch mit dem Vater. Er will am Konfirmati-
onsgottesdienst dabei sein und verspricht, vor,
während und nach dem Gottesdienst auf einen
direkten Kontakt mit Nathalie zu verzichten.
4.4.
Praxisbeispiel mit Triage
(Katechet/in – Pfarrer/in
Kevin – ein normalerweise eher unauffälliger
Viertklässler – ist laut, aggressiv, und stört heute
massiv den Unterricht. Die Katechetin R. weist
ihn mehrmals zurecht und droht mit Strafe. Am
Schluss der Unterrichtssequenz muss Kevin alle
Stühle stapeln und Frau R. helfen, die Tische von
den Farbspuren zu reinigen. Er brummt was von
„ungerecht und scheissegal“. Die Katechetin
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