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ENSEMBLE 2016/10 —– Fokus
D I E D A R G E B O T E N E H A N D
Männer im Fokus
Die Werbekampagne der Dargebotenen Hand
richtet sich dieses Jahr an Männer. Denn diese
tun sich schwer damit, bei Problemen Hilfe zu
suchen und die allseits bekannte Nummer 143
anzurufen.
Von Nicolas Meyer
Aktuelle Studien zeigen auf, dass sich Männer
schwer damit tun, in Krisensituationen Hilfe zu
beanspruchen. Um ihnen die Hemmungen etwas
zu nehmen und eine Kontaktaufnahme bei der
Notfall-Telefonnummer 143 zu fördern, hat die
Dargebotene Hand schweizweit eine Werbekam-
pagne in Kinos und sozialen Netzwerken lanciert.
In einem Spot, der 20 Sekunden dauert, ist ein
offensichtlich besorgter Mann in der Nacht unter-
wegs. Er sagt zu sich: «Das kann ich ja niemandem
erzählen.» Eine Stimme aus dem Off widerspricht:
«Doch. Telefon 143. Nacht und Tag. Anonym. Die
Dargebotene Hand.»
Eigenheiten des starken Geschlechts
Gerade mal ein Drittel der Anrufe bei der Notfall-
nummer sind von Männern. Gemäss Franco Baum-
gartner, dem Geschäftsführer der Dargebotenen
Hand Schweiz, könnte das damit zu tun haben,
dass sich Männer in unserem Kulturkreis nicht
gewohnt sind, Hilfe zu holen. Aufgrund ihrer Er-
ziehung versuchen sie lieber, schwierige Situati-
onen zuerst einmal selbst zu lösen. Oft ist es dann
aber bereits zu spät. Männer haben zudem die
Tendenz, Krisengespräche frontaler anzugehen als
Frauen. Sie überlegen sich weniger,
was genau hinter den Problemen ste-
cken könnte. Ganz anders die Frauen:
Sie können erfahrungemäss besser
mit schwierigen Lebenssituationen
umgehen.
Um beim Sorgentelefon auf die
spezifischen Bedürfnisse der Männer
eingehen zu können, absolvieren zur-
zeit die rund 600 Freiwilligen der
Dargebotenen Hand eine spezielle
Ausbildung. Sie ist das Resultat einer
Umfrage und zahlreicher individuel-
ler Gespräche, in denen abgeklärt
wurde, welche speziellen Bedürfnisse
Männer gegenüber dem Sorgentele-
fon haben. «Ein zentraler Teil der
Ausbildung vermittelt, was getan
werden kann, damit sich Männer
wohler fühlen, wenn sie anrufen»,
sagt Franco Baumgartner.
Die Freiwilligenarbeit fördern
Das Sorgentelefon will gleichzeitig erreichen, dass
sich mehr Männer als Freiwillige bei der Darge-
botenen Hand engagieren. Zurzeit sind weniger
als ein Drittel aller Mitarbeitenden beim Sorgen-
telefon Männer. Für Franco Baumgartner wäre
hier ein Gleichgewicht anzustreben. Dadurch wür-
den wahrscheinlich auch mehr Männer anrufen.
Denn es gibt bestimmt Männer, die lieber mit ei-
nem anderen Mann als mit einer Frau über ihre
Probleme sprechen wollen. «Gemäss unseren Be-
obachtungen sind Verantwortung und Selbstän-
digkeit Themen, die Männer stark beschäftigen»,
erklärt Franco Baumgartner. Nichtsdestotrotz ist
das Ziel bei beiden Geschlechtern aber dasselbe:
Durch die Art der Gesprächsführung sollen bei den
Betroffenen Ressourcen mobilisiert und das Mach-
bare erkannt statt das Augenmerk auf Defizite
gesetzt werden.
Breite Unterstützung
Die Dargebotene Hand wird von den Reformierten
Kirchen Bern-Jura-Solothurn und zahlreichen an-
deren Institutionen unterstützt. An der Werbe-
kampagne beteiligte sich insbesondere auch die
Dachorganisation
«männer.ch»mit ihrer Kampa-
gne MenCare, welche die Präsenz von Vätern er-
höhen und diese dabei unterstützen möchte. Die
Kampagne ist weltweit bereits in 35 Ländern und
auf fünf Kontinenten aktiv. Sie will auch die Ge-
walt in der Familie bekämpfen und eine gleich-
berechtigte Aufteilung der Familienarbeit errei-
chen. Auf 2018 ist eine Kampagne geplant, welche
die Beteiligung der Männer an der Kinderbetreu-
ung erhöhen will.
Info:
www.143.chD
Nur ein Drittel
der Anrufe sind
von Männern.
Seul un tiers des
appels sont le fait
d
’
hommes.
©Dargebotene Hand