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Fokus —– ENSEMBLE 2016/10
Vor 40 Jahren kauften Kirchgemeinden und
Einzelpersonen erste Anteilscheine, damit die
Entwicklungsgenossenschaft in Latein-
amerika faire Darlehen verleihen konnte.
Inzwischen ist Oikocredit zu einem welt-
weiten Netzwerk geworden.
Von Karl Johannes Rechsteiner
Ob Mikrokredit oder Darlehensgenossenschaft,
Kooperativen für Handwerk oder Marktfrauen,
Fair-Trade-Kaffee oder Öko-Kleiderproduktion –
mittlerweile finanziert Oikocredit laufend 800
Partner in 70 Ländern. Zuerst knipst Kawien Zied
ses des Plantes eine Taschenlampe an. So symbo-
lisiert die Direktorin für Social Performance der
Oikocredit-Zentrale die Wirkung ihrer Projekte.
Aus dem kleinen Gerät blendet eine LED-Lampe,
die Batterie mit 6
×
4-Zentimeter-Solarpanel läuft
bis zu zehn Stunden. Dies kann unzählige Lampen
ersetzen, wo Petrol teuer und gesundheitsschäd-
lich ist.
Die für weniger als einen Franken produzierte
Solarleuchte wird in Indien hergestellt – Oikocre-
dit half mit einem Darlehen von 40 Millionen
Rupien (knapp 600 000 Franken). Kawien Ziedses
des Plantes freut sich: «Angesichts des Klimawan-
dels fördern wir neben Mikrofinanz-Instituten und
Fair-Trade-Unternehmen erneuerbare Energien.»
Gelder der reformierten Kirche
Als die Ökumenische Entwicklungsgenossenschaft
ihre Arbeit begann, wurde sie oft belächelt. Aber
in Bern glaubten damals Kirchenleute an das
Potenzial und kauften mutig Anteilscheine. Sie
gründeten einen Deutschschweizer Förderkreis,
präsidiert von Pfarrer Peter Bärtschi, unterstützt
auch vom damaligen Brot-für-alle-Generalsekretär
«
OIKOCREDIT
SCHAFFT
UNTERSCHIEDE»
VON DER KIRCHLICHEN VISION ZUR MILLIARDEN-GENOSSENSCHAFT
«
L’ÉCO-CRÉDIT
CHANGE LA VIE»
D’UNE VISION D’ÉGLISE À UNE COOPÉRATIVE DE PLUSIEURS MILLIARDS
Hans Ott. Die reformierte Berner Landeskirche
investierte immer wieder substanzielle Summen,
so dass heute eine Beteiligung von 1 131 815 Fran-
ken in der Bilanz steht und 40 weitere, vor allem
reformierte Kirchgemeinden aus dem Bernbiet bei
Oikocredit Geld anlegten.
Seither schüttelten diverse Finanzkrisen die
Welt, Börsenkurse crashten und Finanzinstitute,
die einst über Oikocredit gespottet hatten, bettel-
ten um staatliche Hilfe. Die Oikocredit-Anlagen
hingegen blieben stabil und zahlten jährlich ihre
kleine Dividende. In den Förderkreisen in Europa
und Nordamerika ist über die Jahre eine professi-
onelle Infrastruktur gewachsen. Heute haben welt-
weit über 50 000 Einzelpersonen und Kirchgemein-
den insgesamt eine Milliarde Euro bei Oikocredit
angelegt. Allein Oikocredit deutsche Schweiz ver-
waltet rund 40 Millionen – weitere 13 Millionen
laufen über Oikocredit Suisse Romande.
Lebensumstände verändern
Dieses Geld befinde sich in ständiger Rotation,
erklärt Kawien Ziedses des Plantes. Denn die Dar-
lehen würden zurückbezahlt und danach neue
Kredite vergeben. Wichtiger als die Finanzzahlen
ist ihr aber die soziale Wirkung: «Oikocredit
schafft Unterschiede im Leben der Menschen»,
erläutert die Niederländerin. Allein über die mit-
finanzierten Kleinstkredit-Institute erreicht Oiko-
credit 37 Millionen Menschen, die deshalb zum
Beispiel keine Wucherzinsen mehr zahlen müssen.
86 Prozent von ihnen sind Frauen, die Hälfte leben
auf dem Land. Dazu kommen über 100 000 Arbeits-
stellen von den Krediten geförderten Unter
nehmen, etwa im Fairen Handel. Oft bekämen
diese Gruppen sonst nirgendwo Kredit, Oikocredit
sei ihr Licht im Dunkeln. Schmunzelnd zündet
Frau Ziedses des Plantes nochmals die Lampe an.