ENSEMBLE Nr. 2 - Oktober 2015 - page 13

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ENSEMBLE 2015/2 —– Dossier
mit mehreren Gemeinschaften aus dem afrika­
nischen Kontinent zusammenarbeitet, gemacht
hat. «Zu Beginn geniert man sich ein bisschen,
aber das gibt sich rasch», hält sie fest. In den
allermeisten Messen, die sie besucht hat, wird
gesungen und die Menschen halten sich dabei
an den Händen. Indem man sich im Raum
bewegt, kann man seinen Glauben mit dem
gesamten Körper erfahren. Sie stellt zwar fest,
dass gewisse kulturelle Unterschiede bestehen,
trotzdem hat sie diese Form, Gott zu feiern,
schätzen gelernt: «In unseren Breitengraden ist
das eher unüblich, aber es wirkt sehr befreiend.»
Eine Frage der Auslegung
Für Henriette Té Schiavinato, die Leiterin des Zen-
trums Mamré in Biel, ermöglicht es die Musik, die
Präsenz Gottes zu erfahren. Für die ursprünglich
von der Elfenbeinküste stammende Pastorin neh-
men Musik und Gesänge in afrikanischen Messen
mehr Raum ein als in europäischen. Das rührt
insbesondere daher, dass Erstere viel länger dau-
ern: «Unsere Messen dauern mehr als zwei Stun-
den, dabei wird den Gesängen viel Raum zuge-
standen.» Die Mehrzahl der Gesänge ist zwar
vergleichbar mit jenen der westlichen reformier-
ten Kirche. Dennoch ist Henriette Té Schiavinato
der Meinung, dass sie in den afrikanischen Ge-
meinschaften eine zentrale Rolle spielen: Sie sind
Ausdruck eines lebendigen Glaubens, der offen ist
für den Nächsten, Kraft und Freude verleiht und
Mut macht.
Ein universelles Band
Wie wichtig das ist, wird vollends klar, wenn man
sich vor Augen hält, dass die Hintergründe der aus
Afrika stammenden Migrantinnen und Migranten
sehr unterschiedlich sind. «In der Stadt Biel leben
Staatsangehörige, deren Muttersprache entweder
Französisch oder Englisch ist», gibt Henriette Té
Schiavinato zu bedenken. Zudem ist jede Gemein-
schaft offen für mehrere Nationalitäten und Ethnien:
«Im Zentrum Mamré haben wir Kameruner, Togo-
lesen, Ivorer und sogar Europäer.» Die Muttersprache
dient als Integrationsbasis in einer Gemeinschaft.
Je nach Herkunft der Teilnehmenden werden die
Gesänge auch in regionalen Dialekten gesungen.
Ein Akt der Verbundenheit
Für den Bieler Pfarrer Luc N. Ramoni, der ebenfalls
im Projekt «Zusammen Kirche sein» mitarbeitet,
führt die Verbindung mit anderen Menschen via
die Musik zu einer sehr starken Verbundenheit bei
den Zusammenkünften: «Auch wenn es manchmal
schwierig ist, den Texten zu folgen, entsteht doch
eine Verbundenheit, die über den simplen Verstand
hinausgeht.» Auch für ihn ist die Kultur der afrika-
nischen Gesänge stärker ausgeprägt als die euro-
päische: «Wir stellen heute fest, dass die Lieder in
den Messen immer weniger bekannt sind, was zu
einer gewissen Auflösung der Gemeinschaftlichkeit
führt.» Seiner Meinung nach ist das darauf zurück-
zuführen, dass wir heute derart vielen musikali-
schen Einflüssen ausgesetzt sind, dass es schwierig
wird, bei der Gestaltung der Messe einen gemein-
samen Nenner zu finden, der allen entspricht. Nicht
zuletzt deshalb fühlen wir uns manchmal angezo-
gen von der musikalischen und gemeinschaft­
lichen Dimension der afrikanischen Messen.
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