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Fokus —– ENSEMBLE 2015/2
Was sich schon im Vorfeld abgezeichnet
hatte, bestätigte sich in einer sieben-
stündigen Debatte: Der Grosse Rat schloss
sich am 16. September weitgehend den
Leitsätzen der Regierung an. So sollen die
Geistlichen in Zukunft von den Landes-
kirchen angestellt werden.
von Pfr. Dr. theol. Andreas Zeller,
Synodalratspräsident
Die Lust der einzelnen Fraktionen, das Thema un-
bedingt diskutieren zu wollen, war im Saal förm-
lich spürbar. Mit dem Resultat, dass es keine Tren-
nung zwischen Staat und Landeskirchen, sondern
eine Weiterentwicklung des bisher engen Verhält-
nisses im Sinne einer leichten Entflechtung geben
soll. Extreme Anträge waren chancenlos. Weder
wurde das Eintreten bestritten noch eine Rück-
weisung beschlossen. Entsprechende Anträge aus
der SVP, seitens einer überfraktionellen Gruppe
und aus der SP wurden mit sehr grossem Mehr
abgelehnt.
Bemerkenswert waren die Qualität der Voten,
die Breite der Diskussion und das Engagement der
Parlamentarier. Die Landeskirchen sind dem Gros-
sen Rat offensichtlich wichtig.
Anforderungen bleiben
In der Detailberatung der acht Leitsätze wurde
der Weiterentwicklung des Verhältnisses im Rah-
men der geltenden Verfassung mittels einer To-
talrevision des Kirchengesetzes zugestimmt. Neu
sollen die Geistlichen von den Landeskirchen an-
gestellt werden. Für die Personaladministration
sollen Stellen vom Kanton zu den Kirchen umge-
lagert werden.
Die Aufnahme von Geistlichen in den Kirchen-
dienst wird künftig durch die Landeskirchen ge-
regelt und abgewickelt. Dabei erlässt der Kanton
aufgrund der öffentlich-rechtlichen Anerkennung
der Landeskirchen gewisse Vorgaben. So sollen
die Anforderungen an die Pfarrschaft im heutigen
Umfang mindestens erhalten bleiben. Zudem soll
die pfarramtliche Versorgung der Kirchgemeinden
neu von den Landeskirchen festgelegt werden.
Die Übergabe der Dienstverhältnisse wurde vor
allem von den Gewerkschaftsvertretern im Rat
massiv bekämpft.
Verlässliches Finanzierungssystem
Wichtig ist ferner, dass es keine Ablösung der
Rechtstitel gibt. Es soll ein modernes, zeitgemässes
und verlässliches Finanzierungssystem etabliert
werden, welches die historischen Ansprüche der
Kirchen respektiert, aber auch den berechtigten
Interessen des Kantons Rechnung trägt. Quer durch
die Fraktionen waren sich alle Redner einig, dass
mit der Revision des Kirchengesetzes keine weite-
ren Sparbeschlüsse zulasten der Kirchen vorgenom-
men werden sollen, da diese in der Vergangenheit
mehr als genug hätten sparen müssen. Den Kirchen
wird also mehr Planungssicherheit zugestanden.
Neu soll eine negative Zweckbindung der Kir-
chensteuern für juristische Personen eingeführt
werden. Hingegen wurde ein Antrag aus den Rei-
hen der Grünliberalen klar abgelehnt, welcher
eine Aufhebung der Kirchensteuern für die juris-
tischen Personen verlangt hatte. Ebenso chancen-
los war ein Vorstoss, welcher auf die allfällige
Einführung einer Mandatssteuer für die juristi-
schen Personen zielte.
Intensiv diskutiert wurde auch die Frage, ob
ein Anerkennungsgesetz für andere Religionsge-
meinschaften mit gesellschaftlich relevanten Leis-
tungen ausgearbeitet werden soll. Dafür setzten
sich vor allem freikirchliche Kräfte und Vertreter
der Grünen ein. Der Rat entschied sich jedoch für
den regierungsrätlichen Vorschlag, die Förderung
dieser Religionsgemeinschaften mit anderen
Massnahmen zu bewerkstelligen. Das bedeutet,
GEHALTVOLLE
DEBATTE
KIRCHE UND STAAT
DES
DÉBATS
NOURRIS
ÉGLISE ET ÉTAT