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Dossier —– ENSEMBLE 2016/13
zur Entwicklung des Rechts auf Religions- und
Gewissensfreiheit beigetragen.
Für die Reformatoren setzte religiöse Mündig-
keit auch die Kenntnis der Bibel voraus: Allgemei-
ne Bildung und die Übersetzung der Bibel in die
Volkssprache waren damit elementare Anliegen
der Reformatoren. Reformatorische Ideen wie die
Gleichheit aller vor Gott, das allgemeine Priester-
tum und die gemeinschaftliche Leitung der Kirche
haben zur Entwicklung der modernen Demokratie
beigetragen.
Die Reformation leistete einen wesentlichen
Beitrag zur Entwicklung zentraler Werte der mo-
dernen Gesellschaft. Das Reformationsjubiläum
bietet die Möglichkeit, diese vielfältigen Wirkun-
gen erneut ins Bewusstsein der Menschen zu ru-
fen. Errungenschaften wie Freiheitsrechte, Ver-
antwortlichkeit, Sozialordnung, Bildung,
Demokratie sind Nachkommen der Reformation
und dabei nicht als abgeschlossener Prozess, son-
dern als bleibende Aufgabe aller Bevölkerungs-
schichten zu sehen. Die Kirche ist in dieser Rolle
nicht nur historischer Impulsgeber, sondern ver-
steht sich heute als kritisches Gegenüber der Mo-
derne.
Bedürfnisse der Menschen
Eine Hauptschwierigkeit für die Kirche heute be-
steht darin, dass zentrale Begriffe der Reformato-
ren für viele Menschen nicht mehr verständlich
sind und diese dadurch nicht mehr berühren.
Damit wird auch die kirchliche Verkündigung er-
schwert, die Bedeutung der Kirche für das Indivi-
duum wie für die Gesellschaft nimmt leider zu-
nehmend ab.
Die reformierte Kirche steht vor der Aufgabe,
zwischen den Aussagen der Reformatoren und
unseren heutigen Ansichten eine Brücke zu schla-
gen. Dafür muss die Kirche Fragen und Sorgen
heutiger Menschen aufgreifen: Was beschäftigt
die Menschen heute? Wenn es nicht mehr die
Angst vor dem Fegefeuer ist, welches sind heutige
Sorgen und Ängste?
Kirche sein heisst, nach den existenziellen Be-
dürfnissen der Menschen zu fragen, sie mit den
wesentlichen biblischen Aussagen in Beziehung
zu setzen und – gut reformatorisch – ihre Bedeu-
tung für die Gegenwart zu reflektieren. Dieser
Aufgabe wollen wir uns im Jubiläumsjahr 2017
annehmen.
Broschüre zur Reformation
Die in diesem Artikel nur kurz ausgeführten
Auswirkungen der Reformation werden ausführ-
licher in einer neuen Broschüre der Reformier-
ten Kirchen Bern-Jura-Solothurn dargestellt:
«500 Jahre Reformation: Worum es geht – was
wir feiern», von Matthias Zeindler, Prof. Dr.
theol., Bereichsleiter Theologie.
Ab November bestellen bei:
kommunikation@refbejuso.ch©Mauro Mellone
Reformations-
stadt Bern: Stadt-
präsident Alexander
Tschäppät erhält
die Urkunde von
Gottfried Locher,
Präsident der
Gemeinschaft
Evangelischer
Kirchen Europas.
Berne, cité de la
Réforme: le maire
Alexander Tschäp-
pät reçoit le docu-
ment qui l’atteste
de Gottfried Locher,
président de la
Fédération des
Eglises protestantes
de Suisse.