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Dossier —– ENSEMBLE 2017/16

Daria Lehmann: Ich finde es wichtig, dass ge-

wisse Grundwerte vertreten werden. Das hat für

mich manchmal fast mehr mit Ethik zu tun als mit

Religion. Auch die Gemeinschaft finde ich etwas

sehr Schönes. Ich persönlich kann mit Begriffen

wie «Jesus» und «Gott» wenig anfangen. Für mich

hätte es im Konfirmationsunterricht eine stärkere

Fokussierung auf Inhalte gebraucht statt auf

Namen.

Estelle Plüss: Für mich sind Glaube und Reli-

gion etwas sehr Unterschiedliches. Jedem Men-

schen ist freigestellt, was er glaubt und wie inten-

siv. Religion ist für mich etwas, das viel mit Regeln

zu tun hat. Religion bildet auch Gruppen: Hier ist

der Islam, dort das Christentum und so weiter. Für

mich ist klar, dass die eine Religion nicht die

Werte der anderen vertreten kann. Doch ich finde

gerade für die Jungen sollte man etwas offener

sein gegenüber anderen Werten und Meinungen.

Sie wünschen sich also eine offene, tolerante

Kirche?

Estelle Plüss: Ja, genau!

Was sagen Sie dazu, Patrik Baumann?

Patrik Baumann: Eine «Werteagentur» ohne

Glauben hat meiner Meinung nach keine Zukunft.

Es braucht einen Glauben und es braucht ein ge-

meinsames Ziel! Wenn ich an Jesus glaube, heisst

das nicht, dass ich alles andere als falsch betrachte.

Das heisst auch nicht, dass ich intolerant bin und

denke, dass nur ich recht habe. Aber ich habe

durchaus einen gewissen Wahrheitsanspruch,

denn sonst hätte ich mich nicht für diesen Glau-

ben entschieden.

Estelle Plüss: Glaube muss für mich überhaupt

nichts mit Gott oder Jesus zu tun haben. Ich kann

irgendetwas glauben. Aber Religion ist für mich

etwas sehr viel Engeres. Wenn eine Kirche das Ziel

hat, dass alle genau dasselbe oder an dieselbe Per-

son glauben, stimmt das für mich nicht.

Riccardo Schmidlin: Ich finde, ein individueller

Glaube und Religion schliessen sich nicht aus. Der

individuelle Glaube sollte in einer Religion Platz

haben. Wenn man konfirmiert wird, bekennt man

sich zwar zum christlichen Glauben, aber das

heisst nicht, dass man absolut bibeltreu sein muss.

Der Konfirmationsunterricht wurde verschiedent-

lich erwähnt. Was könnte man eurer Meinung

nach daran verbessern?

Sarah Gygax: Ich konnte mich überhaupt nicht

mit dem identifizieren, was im Konfirmationsun-

terricht geschah. Das war so weit weg von meiner

Realität und von dem, was ich für richtig hielt. Ich

hörte dann damit auf und stieg etwa ein Jahr

später bei einer anderen Person wieder ein, bei

der ich den Zugang besser gefunden habe.

Daria Lehmann: Man sollte ihn näher an das

Leben bringen. Mir war das vermittelte Bild im

Konfirmationsunterricht zu eng. Da gab es Gott,

Jesus, den Heiligen Geist und die biblischen Ge-

schichten. Was genau das aber mit mir zu tun

haben soll, wurde zu wenig nicht vermittelt. Wie

wählt ihr zum Beispiel die Themen für den Kon-

firmationsunterricht aus, Riccardo Schmidlin?

Riccardo Schmidlin: Wir machen zuerst kleine

Gruppen, in denen die Konfirmandinnen und Kon-

firmanden Themen benennen, die sie ganz all­

gemein oder in Bezug auf die Kirche oder die

Religion beschäftigen. Das tragen wir dann zu-

sammen und nehmen es auf. Gewisse Themen sind

halt Pflicht, aber bei der Projektarbeit nehmen wir

Rücksicht auf die Wünsche der Konfirmandinnen

und Konfirmanden.

Daria Lehmann: Das finde ich cool, wenn ihr

die Themenauswahl so offen gestaltet!

Wie sehen Sie das als Synodaler, Roman Schmid?

Ist die Kirche zu weit weg vom Leben?

Roman Schmid: Zum Teil schon, ja. Und die

Kirche darf sich auf keinen Fall aus der Debatte

über aktuelle politische Themen zurückziehen.

Aber etwas zeigt sich ja bereits in dieser Gruppe

Sommercamp für junge Erwachsene

Was ist die Antwort auf leere Kirchenbänke?

Geht Kirche auch ganz anders? Und wenn ja,

braucht es noch Landeskirchen oder ist es Zeit

für die Privatisierung des Christentums? Am

Campus Kappel 2017 (17.–21.7.) diskutieren

Jugendliche Fragen, die im Jahr des Reformati-

onsjubiläums an Brisanz gewinnen – mit profi-

lierten Theolog/-innen und Persönlichkeiten aus

Kultur, Politik und Showbiz. Die Teilnahme ist

kostenlos. Bitte reichen Sie die Beilage dieses

ENSEMBLE an junge Erwachsene weiter.

www.campuskappel.ch

©Mauro Mellone

©Mauro Mellone

Estelle Plüss

und Riccardo

Schmidlin.