ENSEMBLE Nr. 1 - August 2015 - page 4

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Dossier —– ENSEMBLE 2015/1
von Adrian Hauser
Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Die
reformierte Landeskirche des Kantons Bern er-
bringt gesellschaftlich relevante Leistungen im
Wert von 103 Millionen Franken jährlich, während-
dem sie vom Kanton dafür mit 60,8 Millionen
Franken jährlich unterstützt wird. Die Kirche ist
also mehr wert, als sie tatsächlich kostet. Dies ist
eine der Hauptaussagen des unabhängigen Ex-
pertenberichtes von Rechtsanwalt Rudolf Muggli
und des Ökonomen Michael Marti. Der Bericht
wurde im September 2013 vom Berner Regierungs-
rat in Auftrag gegeben. Ausgangspunkt war eine
damals bevorstehende Finanzhaushaltsdebatte
beziehungsweise eine «Angebots- und Struktur­
überprüfung» im Kanton Bern. Der Regierungsrat
hat zu diesem Zeitpunkt darauf verzichtet, dem
Grossen Rat zum Thema «Kirche» Sparvorschläge
zu unterbreiten, da er die Faktenlage als ungenü-
gend betrachtete. Deshalb sollten die beiden Ex-
perten zusammen mit ihren Teams eine breite
Auslegeordnung zum Thema «Kirche und Staat im
Kanton Bern» erarbeiten. Resultat ist ein beinahe
150-seitiges Dokument, das als Grundlage für eine
Finanzdebatte über die Berner Landeskirchen die-
nen soll. Oder genauer: Der Bericht soll gemäss
dem Regierungsrat «die finanziellen, rechtlichen,
politischen und kirchlichen Konsequenzen dar-
stellen, die sich aus einer Änderung der Finanzie-
rungsgrundlagen und aus einer Änderung des
Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat ergeben
könnten». So steht es im Bericht über den Bericht,
das heisst im Bericht des Regierungsrates mit po-
litischen Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen
der Untersuchungen von Rudolf Muggli und Mi-
chael Marti. Etwas direkter ausgedrückt, will der
Kanton mit dem Expertenbericht also wissen, wo
er wie sparen kann und was das bewirkt.
Service public im ganzen Kanton
Das Verhältnis zwischen der Kirche und dem Staat
im Kanton Bern ist stark historisch geprägt (s. auch
S. 22 und 23). Weil die reformierte Kirche im Jahr
1804 ihre Ländereien und Immobilien an den Ber-
ner Staat übergab, verpflichtete sich dieser im
Gegenzug, die Besoldung der Pfarrschaft zu über-
nehmen. Und das auf unbestimmte Zeit. Die Ab-
machung von 1804 ist also der Grund, weshalb
heute mit heissen Köpfen debattiert wird, ob die
Der Regierungsrat des Kantons Bern will
das Verhältnis zu seinen Landeskirchen
lockern und das Angestelltenverhältnis
mit der Pfarrschaft an sie übertragen. Die
reformierte Kirche stellt sich nicht grund-
sätzlich dagegen, doch die Frage in der
kommenden Grossratsdebatte wird sein:
Zu welchem Preis?
AUFTAKT
EINER
POLITISCHEN
DEBATTE
KIRCHE UND STAAT
PRÉLUDE À UN LONG
DÉBAT POLITIQUE
EGLISE – ETAT
1,2,3 5,6,7,8,9,10,11,12,13,14,...28
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