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ENSEMBLE 2015/4 —– Dossier
Seit 1990 haben zusätzliche 2,1 Mrd. Menschen
Zugang zu verbesserten Installationen erhalten.
Eine spirituelle Dimension
In der «Ökumenischen Erklärung zum Wasser als
Menschenrecht und öffentliches Gut» haben die
Kirchen ebenfalls die Wichtigkeit des Wassers un-
terstrichen, indem sie ihm eine spirituelle Dimen-
sion verliehen haben. Wasser ist eine Grundvor-
aussetzung für jegliches Leben und kann als
Gottesgeschenk angesehen werden, das allen zur
Verfügung gestellt wurde, um es vernünftig zu
nutzen im Hinblick auf ein Leben im Überfluss. Es
ist ein öffentliches Gut, das nicht privatisiert wer-
den darf. Die Erklärung legt auch fest, dass Wasser
eine soziale, kulturelle, medizinische sowie reli-
giöse und mystische Wichtigkeit hat. Dafür gibt
es zahlreiche Beispiele: In der Genesis wird gesagt,
der Hauch Gottes schwebe über dem Wasser. In
der Person von Moses stellt Gott für sein Volk die
Versorgung mit Wasser sicher, als es die Wüste
durchquert. Für die Christen liegt die symbolische
Kraft des Wassers in der Taufe. Wasser hat zudem
bei zahlreichen Völkern und Kulturen eine heilige
Bedeutung und besitzt einen gemeinschafts
stiftenden, rituellen und traditionellen Wert.
Kein «Krieg um Wasser» in Sicht
Im Rahmen des von der UNESCO 2013 lancierten
internationalen Jahrs der Zusammenarbeit im Be-
reich Wasser konnte in einer von ihren Publika
tionen belegt werden, dass es keine offensichtli-
chen Anzeichen für Kriege um Wasser gibt. Das
selbst in Regionen, in denen die Ressourcen am
Schwinden sind. Zwar haben einige Journalisten
reisserische Artikel zum Thema verfasst, und meh-
rere Politiker haben die damit verbundenen Ängs-
te für ihre Zwecke instrumentalisiert, aber die
vielen Beispiele für die Zusammenarbeit im Be-
reich Wasser sprechen eine andere Sprache – selbst
wenn auch das Gegenteil durchaus denkbar wäre.
Die Probleme, die entlang der Donau auftreten
könnten, die durch 19 Länder fliesst, oder entlang
des Nils, der 11 Ländern Wasser bringt, kann man
sich leicht ausmalen. Obwohl Infrastrukturen für
Wasser oft militärische Ziele darstellten, befindet
sich zurzeit kein Land explizit wegen des Wassers
im Krieg. Dies seit sich die Stadtstaaten von Lagash
und Umma im Becken des Tigris und des Euphrats
vor 2500 Jahren bekriegten. In der Gegenwart wur-
den zahlreiche auf das Wasser bezogene Verträge
abgeschlossen, in erster Linie im Bereich Schiff-
fahrt. In den letzten Jahren kamen auch vermehrt
Verträge hinzu, die sich auf das Management des
Wassers, die Bekämpfung von Überschwemmun-
gen und hydroelektrische Projekte bezogen. Trotz
allem kann der Zugang zu Wasser zu sozialen und
ökonomischen Spannungen führen.
Zwischen 1990 und 2015 hat
sich der Anteil der Welt-
bevölkerung mit Zugang zu
aufbereitetem Trinkwasser
von 76 auf 91 Prozent erhöht.
©Patrick Lüthy / IMAGOpress.com
Vorsicht vor missbräuchlicher Privatisierung
Die UNESCO weist denn auch in einer anderen
Publikation darauf hin, dass ein unangemessenes
Wassermanagement lokale Instabilität und
womöglich gewaltsame Konflikte provozieren
könnte. In Cochabamba, der drittgrössten Stadt
Boliviens, kam es zu gewaltsamen Zusammenstös-
sen, nachdem die Wasserversorgung privatisiert
worden war. Die Stadt hatte zuvor an Wasserman-
gel gelitten und war, meistens in unregelmässigen
Abständen, mit Wasser von mittelmässiger Qua-