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ENSEMBLE 2016/6 —– Dossier

che die «spirituelle Begleitung» am Lebensende

einfordern. Menschen seien in ihrer letzten Le-

bensphase «in ihren existenziellen, spirituellen

und religiösen Bedürfnissen auf der Suche nach

Lebenssinn, Lebensdeutung und Lebensvergewis-

serung».

Die Kirche verfügt über eine lange und reiche

Tradition und Erfahrung in der Begleitung schwer

kranker und sterbender Menschen. Reformierte

Seelsorge wendet sich allen Menschen bei ihren

Fragen und Anliegen zu, unabhängig von ihrem

Glauben oder ihrer Weltanschauung. Sie geht da-

von aus, dass in der Nähe menschlicher Begeg-

nung und im Offensein für die Kräfte, die in dieser

Begegnung wirken, heilende Prozesse geschehen

können.

Einfach da sein

Dazu ein Beispiel: «Frau W. ist eine zierliche, ge-

pflegte, weit über 90-jährige Dame. In einfachen

Verhältnissen aufgewachsen, hat sie es zu einem

Haute-Couture-Atelier gebracht, in dem die vor-

nehmen Damen der Stadt ein und aus gingen.

Noch im Heim und gesundheitlich abgebaut,

strahlt sie sowohl etwas Zerbrechliches als auch

etwas Vornehmes, Starkes aus. Sie freut sich über

die Besuche des Seelsorgers und erfährt ein

freundliches Gespräch als Möglichkeit, ihren Rück-

blick auf ein für sie erfolgreiches Leben mit je-

mandem zu teilen und darin Bestätigung zu er-

fahren. Zur Kirche pflegte sie ein distanziertes

Verhältnis, blieb jedoch Mitglied. Ein plötzlicher

Schub in Richtung Verwirrung brachte Verunsi-

cherung und Erschütterung. Die Serviette auf dem

Frühstückstablett liess sich nicht mehr sorgfältig

zusammenlegen. Die Sprache versagte. Was solide

getragen hat, schien auseinanderzubrechen. Soll-

te mit Worten versucht werden, zu retten, was zu

retten ist? Oder sollte im Dasein und Mitsein eher

unterstützt werden, auch in den Trümmern ge-

genwärtig sein zu können, Angst wahrzunehmen

und nicht mehr dagegen ankämpfen zu müssen?

Einfach da sein – und zulassen, was geschieht. Es

waren weniger Worte als dieses ganzheitliche Da-

sein, das Frau W. einen Raum bot, neue Erfahrun-

gen zu machen. Sie wurde ruhiger. Eine körperli-

che Berührung wäre ihr zu nahe gekommen. Von

Zeit zu Zeit begegneten sich die Augen in einem

verständigen Blick. Am anderen Morgen ist Frau

W. friedlich entschlafen, als ihre Betreuungsper-

son für einen kurzen Zeitraum das Zimmer verlas-

sen hatte.»

Diese Begegnung in einem Heim wurde vom

Seelsorger Hansueli Minder in Steffisburg aufge-

zeichnet.

Anliegen kirchlicher Sozialdiakonie

Die religiösen und spirituellen Bedürfnisse von

Sterbenden und ihren Angehörigen werden auch

von den Partnern im palliativen Netzwerk – seien

dies Hausärzte, Pflegende, Mitarbeitende der Spi-

tex oder andere – als wichtige Anliegen anerkannt.

©David Adair/Ex-Press

Die Kirche verfügt

über eine lange

Tradition und

Erfahrung in der

Begleitung ster-

bender Menschen.

L’Eglise possède

une longue tradi­

tion dans le sou­

tien aux personnes

en fin de vie.