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Fokus —– ENSEMBLE 2016/9
Der Arbeitskreis für Zeitfragen (AfZ) der
deutschsprachigen reformierten Kirch-
gemeinde Biel greift seit über sechzig Jahren
Themen auf, die Kirche und Gesellschaft
herausfordern. Barbara Heer, die neue
Leiterin des Bereichs Ökumene und interkul-
turelle Friedensarbeit, erklärt, was sie
aktuell bewegt.
Von Laurence Gygi
Der Arbeitskreis für Zeitfragen wurde Mitte der
50er-Jahre gegründet, um die Grundlagen für
einen modernen Religionsunterricht zu erarbei-
ten. Aus diesem noch auf Freiwilligenarbeit
fussenden Impetus zur Vereinbarkeit von natur
wissenschaftlich geprägtem Weltbild und evan
gelischer Theologie erwuchs schon bald eine pro-
fessionalisierte Arbeitsgruppe. Von Anfang an
machte sie klar, dass Kirche, wenn sie ihren christ-
lichen Auftrag ernst nehmen will, auch politisch
sein muss. Und so lesen sich die Themen des AfZ
wie ein Zeitraffer der Gesellschaftsgeschichte. Was
die Schweiz bewegte über all diese Jahrzehnte,
wurde in Biel oft mit hochkarätiger Besetzung öf-
fentlich und kontrovers diskutiert. Dies in Runden,
die auch nationale Beachtung fanden und ihren
Beitrag zur Aufweichung verhärteter Fronten leis-
teten. Seit letztem Herbst leitet neu Barbara Heer
den einen Bereich des AfZ.
Frau Heer, was sind heute die Themen des AfZ?
Sehr vielfältige! Nebst der Koordination des
Runden Tisches der Religionen und der Zusam-
menarbeit mit den Migrationskirchen in Biel
nimmt die theologische Bildung eine wichtige
Rolle ein. Sie wird durch die zweite Studienleite-
rin, Luzia Sutter-Rehmann, durchgeführt.
Was macht der AfZ gegenwärtig im Asyl-
bereich?
Die reformierte Gesamtkirchgemeinde Biel
lancierte letzten Dezember angesichts der Flücht-
lingsströme eine Sensibilisierungskampagne und
bildete eine Arbeitsgruppe: Insgesamt dreissig
Kirchen, darunter auch Migrationskirchen, riefen
Stadt und Private auf, sich für die Asylsuchenden
unter uns einzusetzen. Diese Kampagne hatte ge-
rade nach innen eine starke Wirkung: Dem Gefühl,
es werde alles schlimmer, wurde eine Handlungs-
option gegenübergestellt. Zudem verpflichtete sie
die Kirche selbst zum verstärkten Engagement.
Der AfZ macht in erster Linie Öffentlichkeits- und
Bildungsarbeit. So geht er das Asylthema aus einer
konzeptuellen und der gesellschaftlichen Nach-
haltigkeit verpflichteten Perspektive an. Wenn wir
2015 und wohl auch 2016 je 40 000 Menschen bei
uns aufnehmen, stellt sich die Frage, wo deren
Platz ist in drei bis vier Jahren. Ist die Kirche die
richtige Akteurin? Ist da nicht vielmehr der Staat
gefragt? Wir als Kirchen können zwar schöne Be-
gegnungen schaffen, nötig wären aber vor allem
auch Ausbildungsmöglichkeiten, Arbeitsstellen
und Wohnungen.
Was vermag die Kirche?
Die Kirchgemeinde bietet Begegnungsanlässe
wie beispielsweise Mittagstische, Chor oder Er-
wachsenenbildungsreihen. Freiwillig engagierte
Personen und Gruppen unterstützen wir mit In-
formationsmodulen, Vernetzung und wo möglich
mit unserer Infrastruktur. Für vieles Nötige fehlen
jedoch Zeit und Geld. Aber manches wird durch
die Freiwilligen umgesetzt, die dank zusätzlicher
Ressourcen oft flexibler und schneller sind. Stellen
wie der AfZ bieten dafür Erfahrung, institutionel-
le Beziehungen und Konstanz. Auch bezüglich der
Wahrnehmung anderer Religionen können wir
etwas tun, indem wir den Runden Tisch der Reli-
gionen koordinieren und Projekte mit aufgleisen.
Für die ganze Migrationsarbeit aber gilt ange-
sichts ihrer Komplexität: Die Vernetzung aller
Beteiligten ist der Kern guter Arbeit für diese Jahr-
hundertaufgabe.
A R B E I T S K R E I S F Ü R Z E I T F R A G E N
«Kern guter Arbeit»
Engagiert:
Barbara Heer.
Engagée:
Barbara Heer.
© Joel Schweizer