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ENSEMBLE 2016/11 —– Dossier
meinschaft: «Wie lassen sich Freiheit und Ver-
bindlichkeit miteinander vereinbaren?» Oder
schlicht: «Warum braucht es uns, die einzelnen
Menschen?» Denn einerseits ist Glaube ja eine
persönliche Sache, hier kann uns niemand ver-
treten. Andererseits würde dem persönlichen
Glauben Entscheidendes fehlen, gäbe es die Kir-
che nicht.
Innere Vielfalt ist eines der Kennzeichen einer
Volkskirche. Allerdings besteht dabei die Gefahr,
dass die Volkskirche profillos wirkt. Das treibt die
Menschen um, wie die folgenden Beispiele zeigen:
«Wie offen darf eine Kirche sein, ohne sich selbst
zu verlieren?», «Brauchen wir ein Glaubensbe-
kenntnis?». In diesen Fragen zeigt sich das Span-
nungsfeld Vielfalt – Einheit: «Wie viel Klarheit
brauchen wir? Wie viel Profil brauchen wir?»
Einige werfen in diesem Zusammenhang auch
einen Blick auf Freikirchen: «Sind Mitglieder von
Freikirchen bessere Christen?»
Dazu passt auch der Spannungsbogen Innen-
und Aussenleben, anders gesagt: seelsorgerliche
und politische Kirche. Vieles, was die Kirche be-
ziehungsweise ihre Mitarbeitenden machen, lebt
davon, dass es im Verborgenen, im Diskreten ge-
schieht. Seelsorge etwa oder Beratung und Be
gleitung. Umgekehrt engagiert sich die Kirche
öffentlich für Frieden, Gerechtigkeit und Bewah-
rung der Schöpfung. Das bedeutet aber auch, dass
sie immer auch auf eine Veränderung gesellschaft-
licher Verhältnisse ausgerichtet ist. Wie also ge-
lingt es, seelsorgerliche und politische Kirche zu
sein? «Wo müssen, dürfen, sollen wir Stellung zu
Gesellschaftsthemen beziehen, und zu welchen
gerade nicht?», fragt jemand.
«Glaube und Geld»
Mit Kirche assoziieren viele Menschen Orte oder
(Kirchen-)Bauten. Ohne Kirchengebäude oder
Kirchgemeindehäuser kann die Kirche ihren
Auftrag nicht erfüllen, und sie machen die christ
liche Präsenz gegen aussen auch sichtbar.
«Kirche», das sind aber auch und vor allem Bezie-
hungen. Wie also bringen wir Infrastruktur und
Beziehungen zusammen? Wofür setzen wir un-
sere finanziellen Mittel ein: für Menschen oder
für Mauern? «Was ist Kirche: Gebäude/Gemein-
schaft/Glauben?», wird sehr grundsätzlich ge-
fragt, und: «Dienen die kirchlichen Gebäude der
Vielfalt der Bedürfnisse?»
Geld und Geist ist generell ein Thema, das vie-
le Fragende umtreibt. Die Kirche als Glaubensge-
meinschaft braucht Geld, um ihre Aufgaben zu
erfüllen. Allerdings wird sie in Zukunft wohl mit
weniger finanziellen Mitteln auskommen müssen.
Trotzdem ist zu erwarten, dass sie angesichts einer
zunehmend vielfältigen Gesellschaft ihre Ange-
bote eher mehr als weniger diversifizieren muss.
Was tun? Kirchliches Leben pragmatisch nach
dem knapper werdenden Geld ausrichten oder
neue Wege der Finanzierung suchen, um weiter-
hin für alle da sein zu können? Oder gar «fröhlich
ärmer» werden, uns als Kirche auf das Wesentliche
konzentrieren? Auf den Punkt bringt es die Frage:
«Glaube und Geld: Rolle?» Andere fragen: «Welche
Schwerpunkte wird eine finanziell ärmere Kirche
setzen müssen?» Kurz: «Welche Finanzstrategien
wollen wir?»
Gesellschaftlicher Wandel
Eine der Errungenschaften der Reformation ist
das sogenannte «Priestertum aller Gläubigen».
Eingegangene Fragen zeigen: Dieses allgemeine
Priestertum steht in einer Spannung zu den «Kir-
chenprofis», zu den verschiedenen Ämtern, wel-
che die Kirche geschaffen hat. Wie also können
sich alle, die möchten, aktiv ins Gemeindeleben
einbringen und die spezifischen Aufgaben der
Ämter trotzdem zum Tragen kommen? Fragen wie
«Braucht die Kirche immer noch Profis, um Kirche
zu bleiben?» oder «Welche Führungspersonen
braucht eine Kirche mit Zukunft?» regen hier zum
Weiterdenken an.
Kirche bietet vielen Menschen eine Heimat.
Auch und gerade in einer Welt, die sich laufend
verändert. Unsere Gesellschaft ist interkulturell,
auch interreligiös geworden. Begegnungen mit
Christinnen und Christen aus aller Welt, die ihren
Glauben anders leben, fordern uns heraus. Tradi-
tionelle Gottesbilder genügen nicht mehr, Men-
L’ÉGLISE,
C’EST BON POUR
L’HUMEUR?
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