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Fokus —– ENSEMBLE 2016/13
Die Flüchtlingsfrage brennt auch in Kirch-
gemeinden unter den Nägeln. Zum Teil seit
Jahren engagieren sich lokale Gruppen ganz
konkret. Das Jahrestreffen des Netzwerks
«Joint Future» der Reformierten Kirchen
Bern-Jura-Solothurn bietet eine Plattform
für Begegnung und Austausch.
Von Karl Johannes Rechsteiner
Eine junge Pfarrerin erzählt von der Überforde-
rung in Pfarrämtern und vom Aufwand, sich mit
einem Wiedererwägungsgesuch für den Verbleib
einer Flüchtlingsfamilie einzusetzen, die einen
Ausweisungsbefehl bekommen hat. Eine engagier-
te Freiwillige erzählt vom Schmerz, wenn Men-
schen ausgeschafft werden, die einem über lange
Jahre ans Herz gewachsen sind. Und ein nachdenk-
licher älterer Mann weiss: «Dieses Elend zu teilen,
ist auch Hilfe. Wir müssen das Geschehene aus-
halten, gerade wenn wir es leider nicht ändern
können.»
Knochenarbeit Integration
Von A wie Aarwangen bis Z wie Zweisimmen sind
überall im Kanton Bern in zahlreichen Kirchge-
meinden Menschen aktiv, um Flüchtlinge zu un-
terstützen. Wegen der harten Haltung der Behör-
den stossen zurzeit viele von ihnen an die Grenzen
ihres Engagements. Im Netzwerk «Joint Future»
der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn
können sie sich austauschen, erhalten fachliche
J A H R E S T R E F F E N « J O I N T F U T U R E »
Mit Flüchtlingen unterwegs
Beratung oder neue Impulse und motivieren sich
gegenseitig. Angesichts der oft fremdenfeind
lichen politischen Debatte um Migration wissen
alle, dass ihr Einsatz kein Zuckerschlecken ist.
Denn eine gemeinsame Zukunft muss erarbeitet
werden und fällt Flüchtlingen wie Einheimischen
nicht in den Schoss. Integration ist quasi eine
«Knochenarbeit».
Ohne die kirchlichen Gruppen gäbe es meist
kaum lokale Begleitung für die in alle Gemeinden
verteilten Flüchtlinge aus vieler Herren Länder.
Die beteiligten Frauen und Männer geben Sprach-
kurse, machen Rechtsberatung, helfen bei gesund-
heitlichen Problemen, erklären das unbekannte
neue Wohn- und Lebensumfeld oder sind einfach
Gesprächspartnerinnen für Menschen, die ihr bis-
heriges Leben etwa in Syrien oder Eritrea zurück-
lassen mussten. Die Flüchtlinge kommen oft trau-
matisiert von Krieg und Flucht in ihr neues
provisorisches Leben irgendwo in einer Zivil-
schutzanlage oder einem alten Schulhaus. Sie
müssen manchmal lange auf den Asylentscheid
warten und schwerwiegende Entscheide für ihre
Zukunft fällen. Zum Glück treffen sie da und dort
auf offene Menschen aus den Kirchen.
Unterstützung für Unterstützer
In den Workshops beim Treffen in Kehrsatz gab
es auch Hoffnungsgeschichten. Eine seit zehn
Jahren aktive christlich-muslimische Gesprächs-
gruppe berichtete zum Beispiel über einen wohl-
wollenden Austausch mit interkulturellen Aha-Erlebnissen und tragenden Freundschaften über
die Religion hinaus. Das Jah-
restreffen des Netzwerks
«Joint Future» zeigte über-
haupt, wie wichtig der Einsatz
der Kirchen und ihrer Fach-
stellen ist. Dank ihrem Enga-
gement und der vielfältigen
Freiwilligenarbeit kann Integ-
ration oft überhaupt erst
gelingen. Die engagierten
Flüchtlingshelfer brauchen
dafür jedoch auch die Unter-
stützung durch ihre Kirchge-
meinden, zusätzliche «interne
Kämpfe» machen müde. Ohne
die zahlreichen Mutmacher
innen und Mutmacher aus
dem kirchlichen Umfeld aber
würden viele Menschen in Not
schlicht alleingelassen.
©Christine Bärlocher /Ex-Press
Ohne kirchliche
Gruppen gäbe
es kaum lokale
Begleitung.
Sans les groupe-
ments d’Eglises,
il n’y aurait pas
d’accompagne-
ment local.