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Fokus —– ENSEMBLE 2016/13
Das HEKS verhilft im Kosovo gemeinsam
mit der Partnerorganisation «Voice of Roma»
ethnischen Minderheiten zu Bildung, Arbeit
und einem würdigen Zuhause. Isak Skenderi,
Direktor von «Voice of Roma» und selbst
Roma, berichtet darüber.
Interview von Lisa Krebs
Herr Skenderi, in welcher Situation leben die eth-
nischen Minderheiten im Kosovo?
Sie leiden unter einem tiefen Bildungsgrad,
hoher Arbeitslosigkeit, mehrfacher Diskriminie-
rung und extremer Armut. Gemäss Umfragen sind
bis zu 92 Prozent arbeitslos.
Mit welchen Massnahmen unterstützen HEKS und
«Voice of Roma» die Benachteiligten?
Wir implementieren ein Integrationsprojekt.
Dabei fokussieren wir auf vier Säulen: Bildung,
Unterkunft, Arbeit, Interessensvertretung. Wir
unterstützen Primar- und Sekundarschüler mit
After-School-Angeboten und Stipendien. Wir tra-
gen zur Verbesserung der Unterkünfte bei und
unterstützen den Hausbau. Dabei liegt unser Fo-
kus im Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen.
Wir bieten jungen Erwachsenen die Möglichkeit,
eine Berufsausbildung zu absolvieren. Dazu haben
wir professionelle Ausbildungszentren eingerich-
tet. Zudem unterstützen wir talentierte Personen
beim Aufbau eines eigenen Business und leisten
finanzielle Starthilfe. Bei der Interessensvertre-
tung suchen wir die Zusammenarbeit mit der Re-
gierung auf lokaler und regionaler Ebene. Wir
beraten sie in Bezug auf ihre Integrationspolitik.
Zudem unterstützen wir Personen, die aus west-
europäischen Ländern zurück in den Kosovo ge-
kehrt sind, und sorgen dafür, dass sie Zugang zu
staatlichen Integrationsprogrammen erhalten.
H E K S - K A M P A G N E
Minderheiten eine Stimme verleihen
Was tun Sie, um die Vorurteile in der Bevölkerung
gegenüber Minderheiten zu reduzieren?
Bewusstseinsbildung bei der Bevölkerung ist
eine Hauptaufgabe. Via Medien versuchen wir,
Einfluss zu nehmen, und verbreiten Erfolgsge-
schichten, um Vorurteile abzubauen. Zudem or-
ganisieren wir öffentliche Debatten und Konfe-
renzen.
Wie viele Menschen werden von HEKS und «Voice
of Roma» unterstützt?
Insgesamt unterstützen wir jährlich 2500 Per-
sonen direkt.
Wie werden die Begünstigten ausgewählt?
Wir haben Selektionskriterien, die sich je nach
Komponente unterscheiden. Für das Erhalten von
schulischer Unterstützung muss ein Roma-Kind
mehrere sozioökonomische Kriterien aufweisen.
Dazu gehört, dass es zu Hause kaum auf Unter-
stützung von seinen Eltern zählen kann, dass es
keine adäquate Umgebung für Hausaufgaben hat,
dass seine schulische Entwicklung schlecht ist und
das Risiko besteht, dass es die Schule abbricht. Da
unsere Kapazitäten begrenzt sind, arbeiten wir oft
nur in ausgewählten Gemeinden.
Welches sind die grössten Herausforderungen für
«Voice of Roma»?
Extreme Armut, fehlende wirtschaftliche Per-
spektiven für das Land, starke Isolation des Koso-
vo, nicht rechenschaftspflichtige und korrupte
Regierung und Beamte.
Welches ist für sie persönlich ein wichtiges oder
das wichtigste Erfolgserlebnis?
Es gibt viele individuelle Erfolgsgeschichten.
Eines der wichtigsten Resultate ist die zunehmen-
de Anzahl von Schulkindern, vor allem von Mäd-
chen. Gleichzeitig hat das Phänomen des frühen
Verheiratens von Mädchen bedeutend abgenom-
men.
Unterstützen Sie die Kampagne
Die Kirchgemeinden sind auch dieses Jahr dazu
eingeladen, die HEKS-Kampagne inhaltlich und
finanziell zu unterstützen. Dies mit einem Mi-
nimalbetrag von 40 Rappen pro Mitglied, falls
nicht ohnehin schon höhere Beiträge an das
HEKS festgelegt wurden.
Weitere Informationen zur Kampagne:
www.fragen-sie-ihn.ch©HEKS
Isak Skenderi