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Fokus —– ENSEMBLE 2017/16
Reflexionen zur Christologie der Volkskirche, zum
Verhältnis von Ökumene und Konfessionalität
oder zu den Beziehungen der Kirche zu Staat, Ge-
sellschaft, Kultur und Wissenschaft. Speziell auf-
schlussreich sind Aufsätze zum Verständnis des
Volkes in der Befreiungstheologie und zur Volks-
kirche in einer multireligiösen Gesellschaft. Und
sehr zu denken gibt ein Beitrag zum grossen dä-
nischen Kritiker der Volkskirche, dem Philosophen
Søren Kierkegaard. In all diesen Artikeln werden
innovative Sichtweisen eröffnet.
In einem ausführlichen Schlusskapitel unter
dem Titel «Volkskirche der Zukunft» zeigen die
drei Herausgeber zusammenfassend Perspektiven
einer Ekklesiologie der Volkskirche auf. Sie ma-
chen klar, dass entgegen allen Unkenrufen eine
Kirche, die auf vielfältige Weise mit der Gesell-
schaft verbunden ist, die sich als öffentliche Kirche
versteht und die einer Vielzahl von Frömmigkeits-
formen Raum lässt, eine gegenwartsfähige und
zukunftsweisende Form des Kircheseins ist.
Das Buch ist allen zu empfehlen, die in der
Volkskirche tätig sind – Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern, aber auch Synodalen und weiteren Frei-
willigen. Es kann dazu dienen, neu zur Arbeit in
dieser Kirche zu motivieren.
David Plüss/Matthias D. Wüthrich/Matthias
Zeindler (Hg.), Ekklesiologie der Volkskirche.
Theologische Zugänge in reformierter Perspek-
tive, Theologischer Verlag Zürich, 444 Seiten,
ISBN 978-3-290-17852-9, Fr. 54.–
Ganze 31 Autorinnen und Autoren gehen
der Frage nach, was der Begriff «Volkskirche»
eigentlich bedeutet. Dabei werden ganz
unterschiedliche Aspekte des Begriffes
beleuchtet.
Von Matthias Zeindler*
Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn
verstehen sich als Volkskirche. Auch die meisten
anderen reformierten Landeskirchen in der
Schweiz verstehen sich als Volkskirche. Allerdings
ist oft nicht klar, was eigentlich mit dem Wort
«Volkskirche» gemeint ist. Heisst es, dass die Mehr-
heit des «Volkes» zu ihr gehört? Oder dass sie eine
besonders volksnahe, gar eine volkstümliche Kir-
che ist? Es ist auch umstritten, ob man heute noch
von Volkskirche sprechen kann, in einer Zeit, wo
in unserem Land eine Vielzahl von Religionen
vertreten ist und rund ein Viertel seiner Bewohner
konfessionslos sind.
Vielfältiges Programm
Diesen Unklarheiten will ein neues Buch zu Leibe
rücken. Drei Schweizer Theologen haben einen
umfangreichen Band herausgebracht, der die ver-
schiedenen Aspekte des Begriffs «Volkskirche»
beleuchtet. Nicht weniger als 31 Autorinnen und
Autoren sind an dem Unternehmen beteiligt. In
einem ersten Teil wird die Situation in der Deutsch-
schweiz, der Romandie und in Deutschland sowie
in der römisch-katholischen Kirche beschrieben.
Historische Beiträge von der Spätantike bis zur
Postmoderne zeigen die unterschiedlichen Mög-
lichkeiten, wie Kirche in der Geschichte gelebt
und verstanden wurde. Zwei kirchenrechtliche
Beiträge untersuchen den Begriff «Volkskirche» in
Kirchenverfassungen und -ordnungen. Ein Kapitel
widmet sich verschiedenen praktisch-theologi-
schen Entwürfen der jüngeren Zeit, die sich in je
unterschiedlicher Weise dem Begriff nähern. Sehr
praxisnah ist das nächste Kapitel, das einzelne
charakteristische kirchliche Vollzüge untersucht:
Gemeindeaufbau, Seelsorge, Spiritualität, «Fresh
Expressions of Church», aber auch Reformpro-
gramme in St. Gallen und Basel-Stadt.
Innovative Beiträge
Das eigentliche Herzstück ist ein langes Kapitel
zur «Theologie der Volkskirche». Auf Beiträge zum
Neuen Testament und zur Reformation folgen hier
B U C H H I N W E I S
Was heisst Volkskirche?
* Bereichsleiter Theologie und Mitherausgeber der Publikation