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ENSEMBLE 2017/20 —– Dossier

sich auch um die existenziellen Anliegen des Pa-

tienten und er kennt die Arbeitsweise der Seel-

sorge. Damit dieses Zusammenspiel funktionieren

kann, muss die Seelsorge gut in die Betreuungs-

teams des Spitals integriert sein.

Seelsorge im Heim

Bei Herrn Moser wird bereits im Spital klar, dass er

nicht nach Hause zurückkehren kann. Man sucht

einen Platz in einer Altersinstitution. Für Herrn

Moser ist diese Entwicklung sehr schwierig. Er

kann sich kaum vorstellen, ohne seinen Garten,

die Bienen und ohne die Zweisamkeit mit seiner

Ehefrau ein sinnvolles Leben zu führen. Der Spital-

seelsorger informiert in Absprache mit Herrn

Moser die Seelsorgerin in der Altersinstitution. Die

erste Zeit in der Institution ist für Herrn Moser hart.

Er sehnt sich nach seinem Zuhause. Er weiss nicht,

was er mit seiner Zeit anfangen soll, und wird im-

mer trübsinniger. Der Heimseelsorgerin vertraut

er an, dass er mit dem Gedanken spiele, sich mit-

hilfe einer Sterbehilfeorganisation das Leben zu

nehmen. Es entwickeln sich tiefe Gespräche, die

ihn zwischenzeitlich entlasten, aber es bleibt das

Gefühl der Sinnlosigkeit, das Herrn Moser schwer

zu schaffen macht. Die Seelsorgerin bespricht sich

mit der Aktivierungstherapeutin. In gemeinsamer

Recherche lernen sie einen Senior kennen, der in

der Nähe Bienenvölker züchtet und gerne ein­

willigt, Herrn Moser in deren Betreuung einzube-

ziehen. Herr Moser ist zuerst unschlüssig, weil er

fürchtet, auch diese Bienen wieder zu verlieren.

Zusammen mit der Seelsorgerin ist es ihm möglich,

sich seiner Angst zu stellen, im Sterben dereinst

alles zu verlieren.

Auch in der Altersinstitution ist die Spiritua-

lität also für viele Berufsgruppen ein Thema. Weil

die Seelsorgerin mit der Aktivierungstherapeutin

regelmässig zusammenarbeitet, können sie ge-

meinsam kreative Ideen entwickeln, wie sie den

Bewohner unterstützen können.

Seelsorge in weiteren Institutionen

Neben den Spitälern und den Altersinstitutionen

ist die Spezialseelsorge auch in allen Gefängnis-

sen, im Care Team und in den beiden Bundes­

zentren für Asylsuchende im Kanton Bern tätig.

Die Amerikanerin Rachel Naomi Remen prägte

eine wunderbare Formulierung: «Vielleicht be-

steht das Geheimnis eines guten Lebens nicht

darin, alle Antworten zu haben, aber in den un-

beantwortbaren Fragen eine gute Begleitung zu

haben.» Das ist eine treffende Beschreibung seel-

sorglicher Tätigkeit: Seelsorgende sind Menschen

in deren seelischen Nöten nahe und unterstützen

sie in dem, was sie stärkt.

Herausforderungen

«Gott war früher da als der Missionar» – dieser Satz

des amerikanischen Theologen Leonardo Boff

passt gut für die eingangs erwähnte neue spiritu-

elle Wahrnehmung im Gesundheitswesen. Seel-

sorge bringt die Spiritualität nicht in die Institu-

tionen hinein, sondern sie kommt in Häuser, in

denen bereits viel Spiritualität lebt – bei den Be-

rufstätigen, bei den Betreuten und Bewohnerin-

nen sowieso. Die Aufgabe der Seelsorge besteht

darin, die verschiedenen spirituellen Sprachen zu

kennen und selbst so zu sprechen, dass man sie

versteht. Dabei kennt sie auch die Grenzen der

Die Spezialseel-

sorge ist in Alters-

heimen präsent:

Domicil Bethlehem-

acker in Bern.

L’aumônerie spécia-

lisée est présente

dans les EMS:

Domicil Bethlehem­

acker à Berne.

©Keystone /Gaetan Bally