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ENSEMBLE 2017/20 —– Dossier
Wie werden diese Leistungen finanziert?
Zentral sind die Kirchenmitglieder, die Kir-
chensteuer zahlen, also die Steuern von natür
lichen Personen. Daneben haben wir die Kirchen-
steuern von juristischen Personen. Und dann gibt
es die bisherige Entlöhnung der Pfarrschaft durch
den Staat, die jetzt angepasst werden soll, aber in
der Gesamtsumme fast die gleiche Ausgangslage
bieten wird wie heute.
Der Staat wird die Leistungen der Kirchen ja auch
in Zukunft mitfinanzieren. Was für ein Interesse
hat der Staat daran?
Das ist eine gute Frage, denn man muss sich
fragen, was für Interessen der Staat generell hat.
Die Frage ist politisch zu entscheiden. Gestützt
auf die aktuelle Gesetzgebung hat der Staat ein
Interesse und eine Verpflichtung, die Kirchen
grundsätzlich als Institutionen zu unterstützen,
aber auch gewisse gesamtgesellschaftlich rele
vante Tätigkeiten abzugelten, welche die Kirchen
leisten. Sozialpolitische Anliegen geraten finan
ziell immer mehr unter Druck. Die Kirchen haben
hier eine Nische, in der sie etwas anbieten können.
Man lässt sie dies auch tun und garantiert gleich-
zeitig, dass sie weiterhin existieren können. Denn
die Kirchen erbringen Leistungen, die der Staat so
nicht erbringen könnte.
Was für eine gesellschaftspolitische Bedeutung
haben diese Leistungen?
Für die Kirche ist es wichtig, Leistungen zu
erbringen, die von einem breiteren Teil der Gesell-
schaft als sinnvoll erachtet werden als nur von
denjenigen, die vom Tun der Kirche überzeugt
sind. Für die Gesellschaft ist es wichtig, dass ein
starker, unabhängiger Akteur Dienstleistungen
für sozial Schwächere oder generell für Benach-
teiligte anbietet. Denn es gibt darunter sicher
Leute, die dem Staat gegenüber Vorbehalte haben.
Die andere wichtige gesellschaftspolitische Be-
deutung ist, dass die Kirchen eine Stimme in der
Öffentlichkeit haben.
Was würde denn passieren, wenn die Leistungen
der Kirchen nicht mehr da wären?
Der Staat würde nicht bei allen Leistungen
einspringen. Die Professionalisierung der heute
freiwillig geleisteten Arbeit wäre kaum finanzier-
bar. Es wird beim Staat politisch genauer hinge-
schaut, was es wirklich braucht und was nicht. Die
Kirchen haben hier einen gewissen Freiraum. Der
Staat, beziehungsweise der Kanton, würde bei-
spielsweise kaum Altersnachmittage anbieten.
Einzelne Gemeinden würden dies vielleicht tun,
andere aber auch nicht. Gewisse soziale Dienst-
leistungen würden ohne die Kirche einfach weg-
Michael Marti
©Adrian Hauser