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Dossier —– ENSEMBLE 2016/12
Oft glaubt man, die Weitergabe von Bibel-
geschichten sei unproblematisch und komme
auf jeden Fall gut an. Vier Thesen sprechen
dagegen. Aber viel spricht dafür, dass es sich
lohnt, diese als Herausforderungen ernst
zu nehmen. Öffnet man eine Bibelgeschichte
didaktisch reflektiert, begegnen wir uns
selbst, dem Leben und womöglich: Gott!
Von Martina Steinkühler*
Erstens: Bibelgeschichten sind gar nicht so «ein-
fach», wie sie scheinen. Zugegeben: Viele Erzäh-
lungen machen dramaturgisch wenig Mühe. An
Spannung, attraktiven Schauplätzen oder an plas-
tischen Charakteren, die zur Identifikation ein
laden, fehlt es nicht. Jedoch sind Bibelgeschichten
nicht erzählt und überliefert, um zu unterhalten.
Sie erzählen vom Leben unter einer besonderen
Perspektive. Sie deuten das Leben aus der Gewiss-
heit und mit dem Bekenntnis: Es ist Leben von und
mit und für Gott.
Zweitens: Bibelgeschichten wirken nicht von
selbst. So als müsse man sie nur weitersagen, so
wie sie sind, und mit ein wenig Aufmerksamkeit
und gutem Willen stelle sich dann schon Glaube
ein. Oft ist das Gegenteil der Fall: Kindern gefallen
Bibelgeschichten aus den oben genannten Grün-
den – Spannung, Lebendigkeit, Identifikation.
Wenn sie aber die Welt des rationalen Denkens
und Prüfens für sich entdecken, verlieren Bibelge-
schichten ihren Reiz.
Drittens: Bibelgeschichten sind nicht unmit-
telbar konsensfähig. So als müsse man sie nur
hören, um hinfort zu wissen, wer Gott ist und wie
man gottgefällig lebt. Bibelgeschichten sind kul-
turell in einer fremden Zeit und einer fremden
Welt verankert, in einer Gesellschaft, in der Frauen
und Kinder dem Mann «gehören», in der Kriege
Teil des Alltags sind und Menschenleben wenig
zählen, in dem Körper- und Todesstrafen kein
Problem sind und das Recht auf das individuelle
Streben nach Glück noch nicht «erfunden» ist.
Bibelgeschichten können nur wirken, wenn die,
die mit ihnen konfrontiert werden, unterscheiden
lernen zwischen diesem historischen Gewand und
dem, was lebensdeutend und existenziell, darin
geborgen und bewahrt ist: «Wir haben diesen
Schatz aber in irdenen Gefässen.» (2. Kor 4,7)
WIE DIE
BIBEL
ERLEBBAR
WIRD
BIBLISCHE GESCHICHTEN VERMITTELN
COMMENT FAIRE
VIVRE LA BIBLE
TRANSMETTRE LES RÉCITS BIBLIQUES
* Professorin für Religionspädagogik, Evangelische Hochschule
Berlin, Schriftstellerin